
Böser Junge, taffes Mädel
Frankreich und Spanien
Es ist nicht alles rosarot im Barbie-Land. Zum Glück gibt es da auch Gewächse, die sich munter unter Schweinesteaks mischen und nachts durch die Tapas-Bars von Barcelona ziehen.
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass es bei der Beschreibung von Rosé-Weinen so aufgeräumt zugeht wie in einer Puppenstube? Da wimmelt es nur so von heiter, schwungvoll und fröhlich, die Himbeer- und Erdbeeraromen sind blitzeblank und alles ist perfekt ausgeleuchtet vor dem azurblauen Himmel. Nun gibt es in der Tat viele Rosé, die auch so adrett schmecken. Als Aperitif macht das nicht nur Sinn sondern auch Spaß. Wenn aber ein gegrillter Zackenbarsch oder ein ausgewachsenes Schweinesteak den Weg kreuzen, dann sagt Barbie Igitt und Ihr Gaumen zu Beerchen mit Speck ebenso. Doch es geht auch anders.
Da ist z.B. die Dona Flora. Auf den ersten Blick eine wahre französische Dame aus der Gascgogne: Flaschenform, Etikett, Rebsorte – alles Prêt-à-porter. Aber dann lässt sie ihr Lachen erklingen und das wahre Leben bricht sich Bahn in Form einer angenehmen Schippe Dreck. Die Winzer der Cave de Condom konnten der Versuchung nicht widerstehen, dem sanften Merlot einen gehörigen Anteil Cabernet Franc beizumischen. Die Rebsorte ist berühmt für ihre Paprika-Würze und den herzlichen Umgangston. Und so kann die taffe Dona Flora ihre zauberhafte Aura ganz zwanglos an den Bierbänken Ihres Grillfestes erstrahlen lassen.
Ganz anders der Orlat Rosé aus . Den haben Cocktail-Kleider und Boutiquen nie interessiert, den zog es von klein auf in die nächtlichen Tapas-Bars rund um die Ramblas von Barcelona. Bezeichnenderweise steckt hinter diesem bösen Jungen eine begnadete Frau: Bernadette Miquel ist die Önologin bei den Celler Cal Costas in der Weinregion Penedès. Bernadette schwebte ein Wein vor, der die pikante katalanische Fischküche ebenso kongenial begleitet wie die edlen Tapas ihrer Heimat. Mit dem Orlat Rosé aus Cabernet Sauvignon gelang ihr eine Punktlandung. Er ist ein schillernder Grenzgänger. So sehr er unter den Rosé als Macker erscheinen mag, unter den Roten ist er ein eleganter Beau. Damit dient er als lebendiger Beweis dafür, dass die Farbe bei Weinen nichts ist – und der Geschmack alles.
Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Juni 2014)