
Das Weite suchen
Bodega Pío del Ramo, Finca Río Negro
Spanien ist einsam abseits der Städte. Zwei exzellente Weinmacher sagen: Gut so – es quatschen nicht so viele rein! Und beide wollen ganz hoch hinaus.
Wer schon einmal das Privileg genossen hat, Spanien mit dem Auto oder dem Zug zu bereisen, wird außerhalb der großen Städte schnell feststellen, dass er ziemlich allein ist: 92 Einwohner teilen sich einen Quadratkilometer – in Deutschland sind es 230 Menschen. Heute stellen wir Ihnen zwei Winzer vor, die bewusst das Weite gesucht haben – und mit famosen Weinen die Welt erfreuen.
Finca Río Negro
Jose Manuel Fuentes hat als kleiner Junge mit nackten Füßen Trauben gestampft in der Weinpresse seiner Großmutter, die ihm zum Abendbrot Traubensaft gab: "Das sind Gerüche, Eindrücke und Gefühle, die man nie vergisst", sagt er. 1998 beschloss er zu diesen Wurzeln zurückzukehren, um – weniger durfte es nicht sein – einen der besten Weine Spaniens zu machen. Der Ort den er fand war umgeben von Pinienwäldern, Eichen und Steineichen. Im Unterholz wuchsen Lavendel, Rosmarin, Thymian, Sonnenröschen und Oregano. Das Problem war nur: Kein Mensch baute hier in der Umgebung des Dörfchens Cogolludo, rund 100 Kilometer nordwestlich von Madrid, Wein an. Denn auf 1000 Metern Höhe – so das Credo der Ortsansässigen – funktioniert das doch gar nicht richtig. Doch, erwiderte Fuentes, denn er wusste, dass in früheren Jahrhunderten Weine vom Fuße der Sierra de Ayllón sogar am spanischen Hof getrunken wurden. Gemeinsam mit dem Önologen Juan Mariano Cabellos legte er 1999 den ersten Versuchshektar an. Und seit der erste Jahrgang 2009 auf den Markt kam, werden die Weine der Finca Río Negro mit Lob überschüttet. Jose Manuel Fuentes hat Recht behalten. Und was ihn besonders stolz macht: Seine Söhne Victor und Fernando stampfen zwar nicht Trauben mit den nackten Füßen, aber sie tragen seinen Traum in die nächste Generation.
Bodegas Pío del Ramo
Auch dieser Mann will hoch hinaus: In 700 Metern Höhe hat Pío del Ramo Nuñez im Jahr 2007 sein Weingut gegründet. Es liegt eine gute Stunde entfernt von Alicante in der Weinregion Jumilla. Karg ist es hier, die Hügel sind voller Steine und Felsen, dazwischen höchstens ein paar niedrige Büsche. Die Sommer sind sehr heiß, die Winter saukalt. "Den Trauben tut das alles sehr gut" erzählt Pío del Ramo schmunzelnd, "Fäulnisprobleme wegen zu großer Feuchtigkeit kennen wir hier jedenfalls nicht" (da werden die deutschen Winzer im Jahr 2016 wahrscheinlich blattgrün vor Neid).
Lange Jahre war Pío del Ramo Nuñez im Vorstand der örtlichen Kooperative. "Aber irgendwann kam der Ehrgeiz, meinen eigenen Wein zu machen und, ja, auch meinen Namen auf der Flasche zu sehen." Besonders bedeutsam bei der Neugründung war, dass er bis zu 50 Jahre alte Monastrell-Reben (frz. Mourvèdre) einbeziehen konnte. Die Sorte ist "das Herz der Jumilla-Weine", so der Winzer. Die internationalen Rebsorten Syrah und Cabernet Sauvignon dienen der Abrundung der Cuvée: "Die richtige Mischung Jahr für Jahr zu finden, gehört zu den schönsten Aufgaben meines Berufes – wie eine Komposition", gesteht Pío del Ramo Nuñez und vollendet: "Wein ist das einzige Kunstwerk, das man trinken kann."
Wendelin Niedlich
(WEIN NEWS November 2016)