Die sanfte Seite der Toskana

Weingut Poggio Nicchiaia

Fabio Durante erfüllt den Wunsch vieler Genießer nach einer ohne Ecken und Kanten.

Man könnte vom Toskana-Paradox sprechen. Diese in sanften Wellen lieblich dahin wogende Landschaft bringt merkwürdigerweise reichlich charakterstarke, bisweilen kantige hervor. Geht es nicht auch samtiger, schmeichelnder – also irgendwie Zypressenauf-Hügel-im-Sonnenuntergang-mäßiger? Diese Frage bewegte Fabio Durante. Wusste er doch als Vorstand eines italienischen Weinkonzerns, dass es auch anders geht. Als sich ihm vor zehn Jahren die Möglichkeit bot, das etwas heruntergekommene, aber herrschaftliche Weingut Poggio Nicchiaia in der Nähe von Pisa zu erwerben, zögerte Fabio Durante deshalb keinen Moment – Vorstand hin oder her. Seitdem ist er Winzer.

Im namensgebenden Weinberg Nicchiaia steckt das Wort "Nicchia", das im Italienischen Marktnische bedeutet. Genau diese besetzt Fabio Durante mit seinen Weinen: nicht teuer, aber doch exklusiv und ganz anders. Die von Muschelkalk durchzogenen Böden um Pisa eignen sich großartig für weißen Vermentino. Auf Sardinien zeigt diese Rebe, dass sie zu den großen gehört – und Durante beweist, dass sie ihr floral-duftendes und frisches Potenzial auch in der Toskana voll ausschöpfen kann. Bereits mit seinem allerersten Jahrgang löste der Vermentino "Fiore del Borgo" letzte Saison bei Ihnen Begeisterung aus – und der 2015er setzt unseres Erachtens noch einen oben drauf.

Doch zurück zum Toskana-Paradox. In zwei Schritten löst Durante es auf. Zum einen mixt er die heimische -Rebe im "Il Casato" mit und . Das sorgt für mehr Körper und zusätzliche Fruchtkomponenten. Zum zweiten setzt er auf – wie er es nennt – avantgardistische Kellertechnik. Durch ein perfektes Spiel mit den Gärtemperaturen extrahiert er die üppige Frucht aus den Trauben, hält die bissigen Gerbstoffe jedoch außen vor. Alles am "Il Casato" wirkt jung: die explosive Frucht von reifen Kirschen und Beeren, die gepufferte Säure, das samtige Mundgefühl. Man muss schon ein eingefleischter Chianti-Fan sein, um dem Charme dieses Toskaners nicht zu erliegen.

Gotthard Scholz
(WEIN NEWS März 2016)