
Toscana Fantastica - Der Mythos lebt.
Fattoria di Grignano und I Sodi
Die Renaissance der alten Schule und das unglaubliche Comeback des Chianti.
Es gab Zeiten, da war edler Rotwein schlicht synonym mit Chianti. Doch irgendwann schlug die Stunde des üppigen Primitivo und der Toskaner bekam auf einmal riesige Konkurrenz aus dem eigenen Lande. Er war nicht mehr en vogue, schon gar nicht hip. Wie ein altgedienter Hollywood-Star, der noch auf Hauptrollen wartet, fristete er sein Dasein auf den Weinkarten. Jeder kannte ihn, viele mochten ihn, doch er wird nicht mehr genommen.
Die Winzer versuchten daraufhin so einiges: Manche machten die Etiketten moderner, andere die Weine etwas molliger. Es half nichts. Erst vor wenigen Jahren ging es wieder aufwärts. Man besann sich einfach wieder auf alte Tugenden und die Kernkompetenz – das Weinmachen, das Kreieren von Klassikern mit eher moderatem Holzeinsatz und schärfte so wieder das Profil.
Exemplarisch hierfür ist vor allem die Chianti Classico DOCG. Sie steht mit an der absoluten Spitze der italienischen Qualitätspyramide, ist Ursprung des Anbaugebiets und besitzt strengste Vorschriften für Weinbergsarbeit und Keller.
Im Herzen der DOCG wirkt Andrea Casini. Sein Großvater Ivo hatte das Land 1973 dem Bistum Arezzo abgekauft. Das 1893 errichtete Gut I Sodi in dem klitzekleinen Weiler San Marcellino lag zu diesem Zeitpunkt schon etliche Jahre brach. Wörtlich übersetzt bedeutet I Sodi "Harte Erde" und lässt vermuten, dass die Restaurierung recht schweißtreibend war. Doch die Mühen war es mehr als wert, so dass nun Enkel Andrea von den Früchten der Arbeit profitieren kann. Seine Chianti gehören seit Jahren stets zu den Lieblingsitalienern, bei Kunden wie Mitarbeitern gleichermaßen. Das Rezept für die Topweine ist dabei so einfach wie anspruchsvoll. Verwendet werden nur die heimischen Rebsorten Canaiolo und, klar, Sangiovese; aus besten Lagen von sonnenverwöhnten Hügeln südöstlicher Ausrichtung. Gelesen und sortiert wird exklusiv per Hand. Und im Keller setzt man auf traditionelle große Fässer und viel Zeit. Des Enkels Liebling, der "Tesoro di Andrea" wird so zur schmucken Visitenkarte des Hauses, ja der ganzen Region.
Doch auch andere der insgesamt 8 Unterzonen des Gebiets trugen zur Renaissance bei. An vorderster Stelle: Chianti Rufina. Dieser lediglich 600 Hektar umfassende Landstrich gilt als die feinste Subregion. Zu verdanken ist dies den Lagen in 400 Meter Höhe, die während des heißen Sommers kühle Nächte beschert. Dies bewahrt Frucht wie Frische und zeitigt perfekte Reifebedingungen. Das wusste auch die Familie Inghirami als sie sich der Villa Grignano annahm. Einst im Besitz der Medici und des Klerus, die sich selbstredend stets die besten Lagen unter den Nagel rissen. Bereits vor 600 Jahren wurde hier schon großer Wein erzeugt. Tatsächlich scheint dort die Zeit still zu stehen und man atmet Geschichte. In perfektem Einklang von Historie und Fortschritt versteht es die Fattoria Weine zu kreieren die schon jetzt als moderne Klassiker bezeichnet werden dürfen. So muss Chianti!
Roman Bergold
WEIN NEWS Oktober 2019