Das andere Piemont

Cascina Radice

"Der schönste Moment? Wenn volle LKWs den Hof verlassen!" Nichts tun wir lieber, als Andreas Mazzei dieses Glück zu bereiten – bieten doch seine so ganz anderen Piemonteser ein überwältigendes Preis-Genuss-Verhältnis.

Beim Piemont denken die Meisten an Barolo, weiße Trüffel aus Alba und neureiche Touristen. Aber neben dem mondänen Alba gibt es auch noch das quirlige Asti und drum herum malerische Hügeldörfer. Dort wird in nicht enden wollenden Menüfolgen Spitzenküche aufgetischt, für die man dann am glücklichen Ende keine dreißig Euro berappt – inklusive der fantastischen Weine. Klima und Böden unterscheiden sich kaum vom Barolo-Gebiet, die Winzer sind ebenso gut und ehrgeizig, doch beweisen sie ihre Kunst an anderen Trauben. Barbera und Cortese heißen die Rebsorten im Astigiano. "Die rote Barbera ist ein absoluter Glücksfall", begeistert sich Andreas Mazzei. "Lebendig und mit knackiger -Kirschfrucht bespielt sie die gesamte Range vom Alltagswein bis zum Spitzengewächs. Die weiße Cortese kennt kaum jemand, obwohl diese Rebsorte hinter dem Gavi di Gavi steckt. Auf unseren kalkartigen Böden erbringt sie super brillante und mineralische Weine."

Die jugendliche Ausstrahlung von Andreas Mazzei sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er zu den erfahrenen Top-Winzern der Region zählt – ein Umstand, den er seinem Vater verdankt. Damals in den Neunzigern wollte es der Mailänder Roberto Mazzei im zarten Alter von sechzig Jahren noch einmal wissen. Sein Berufsleben hatte er im Vertrieb einer Großkellerei verbracht. Jetzt verspürte er den Drang, Bleibendes zu schaffen und er verliebte sich in einen alten Hof bei Agliano Terme. Sanierungsbedürftige Gebäude ohne Kellerei, dazu außerordentlich wertvolle, aber teilweise brachgefallene Weinberge – Roberto war schnell klar, dass dies ein generationenübergreifendes Projekt ist. Und so holte er den damals erst 18-jährigen Andreas als gleichberechtigten Partner ins Boot.

Flaggschiff der Cascina Radice ist der Barbera d'Asti Superiore, ein herausragender mit Feuer und Tiefe. Die spätgelesenen Trauben werden bis zu 12 Tage auf der Maische vergoren und reifen dann 16 Monate in 3000l-Fässern aus französischer Allier-Eiche. "Spitzen-Barberas brauchen Zeit und das Holzfass", weiß Andreas Mazzei. "Dann wandelt sich Ungestüm in Eleganz und das große Holzfass gibt genau das Maß an seidigem Tannin, das der Traube von Natur aus fehlt." Für Furore sorgen die Mazzeis auch mit ihrer "Toto"-Linie: finessenreiche Cuvées aus regionalen und internationalen Rebsorten. "Toto heißt für mich 100% Piemonteser Erde, 70% heimische Reben, ergänzt um eine herzliche Einladung, unsere großartige Weinregion kennen zu lernen", sagt Andreas Mazzei. Beim Barbera-geprägten Toto Rosso lässt ein Anteil an die Gaumen sich schnell zuhause fühlen. Im Cortese-geprägten Toto Bianco sorgt für eine Beigabe an Breisgauer Burgunder-Charme. Denn dass sich bei Signor Mazzei an den italienischen Vornamen Andrea ein kleines "s" geschmuggelt hat, ist kein Zufall. Seine Mutter stammt aus Freiburg.

Gotthard Scholz
(WEIN NEWS August 2014)