Lebende Legenden

Weingut Muratie

Auf Muratie wird Winzerlegenden kein steinernes Denkmal gesetzt. Rijk Melck lässt die großen Geister in ebensolchen Weinen fortleben.

Bei Muratie in Stellenbosch ticken die Menschen anders. Das wird schon bei der Anfahrt deutlich. Innerlich auf die obligaten Festungsanlagen eingestellt, steht man plötzlich mitten im Weingut. Kein Eisentor, keine Videoüberwachung. Wir finden das sympathisch, andere vielleicht naiv – in jedem Fall passt diese Offenheit zu Rijk Melck. Der Mann mit dem durchtrainierten Körper und den freundlichen Augen entstammt einer Dynastie von Winzerlegenden – und ist auf dem besten Weg selbst eine zu werden. "Das Weingut wurde von einer Sklavin und einem Deutschen gegründet", sagt Rijk Melck. "Wer sollte offen sein, wenn nicht wir!" Auf Muratie wird die dreihundertjährige Geschichte des Gutes zelebriert, das schafft die entspannte Atmosphäre, um sich den Weinen der Gegenwart zu widmen.

Der Shiraz ist nach Ronnie Melck, dem charismatischen Vater, benannt. "Er liegt oben unter den Bäumen begraben", sagt Rijk Melck. "Wer weiß, vielleicht spüren das auch die Reben." Viele von ihnen hatte Ronnie Melck auf Tafelberg-Sandstein in Nord-West-Disposition selbst gepflanzt. Sandstein gibt den Weinen Fülle und Konzentration. Die kühlere, nördliche Ausrichtung bewahrt die Frische und Saftigkeit der Trauben. Der Ausbau des erfolgt in französischen Barriques, davon ein Drittel in erstbelegten Fässern. Zehn Prozent des Weins reift in amerikanischen Barriques, was für einen angenehmen Karamell-Touch sorgt.

Aushängeschild des Guts ist der "Ansela van de Caab", die nach der Gutsgründerin benannte klassische -Cuvée aus , und . Den an solcher Stelle üblichen Vergleich mit den "Originalen" ersparen wir uns aus wohlverstandener Fürsorge für dieselben. ist ein Ausnahme-Terroir. Punkt. Gehen wir stattdessen in die Details: Die Trauben werden nach Rebsorten getrennt offen vergoren und 18 Monate in Barriques ausgebaut. Danach wird die Cuvée festgelegt, die dann nochmals ein halbes Jahr im Fass vermählt wird. Und dann: Standing Ovations!

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS Mai 2015)