Nelkenrevolution im Weinbau - Quinta da Raza

Im Norden Portugals erheben sich die Winzer zum iberischen Weinfrühling. Wie hier eine neue Genussqualität mit Macht zum Durchbruch dringt, versetzt die Gaumen weltweit in Wallung.

Revolutionen kennen bekanntlich keine Privatsphäre. Und so musste auch Mafalda Teixeira Coelho für die leuchtende Zukunft des portugiesischen Weinbaus das eine oder andere persönliche Opfer bringen. Voller Enthusiasmus war die junge Frau aus Lissabon zu ihrer großen Liebe Diogo auf die Quinta da Raza in den grünen Norden gezogen. Doch dann gestaltete sich die Suche nach einem Grundstück für das traute Heim auf den 40 Hektar Land als nervenaufreibend. Wann immer Mafalda ein passendes Fleckchen meinte gefunden zu haben, reklamierte Diogo, dass er niemals bereit sei, eine so hervorragende Arinto-, Trajadura- oder Alvarinho-Lage herzugeben. Die feuchten, schattigen Plätze, die er seinerseits vorschlug, konnte Mafalda nicht akzeptieren.

Nach zähem Ringen tauschte sie die von ihr favorisierte Fläche gegen ihre geliebten Nelkenbeete und den Gemüsegarten, auf die Diogo für eine Neupflanzung schon länger ein Auge geworfen hatte. Wenn man heute mit den beiden auf der sonnigen Terrasse des neuen Hauses sitzt, im Glas den euphorisierenden Arinto und den Blick über die Reben auf die Berge gerichtet, dann spürt man ganz tief im Innern, dass Revolution und persönliches Glück untrennbar zusammengehören.

Im Norden Portugals regt sich ein Weinriese und es sind Menschen wie Diogo und Mafalda, die ihn wachgeküsst haben. Zwar laufen ihre großartigen unter dem Label Vinho Verde, doch haben sie wenig mit dem zu tun, was man sich hierzulande unter diesem Namen vorstellt. Schon der Falco, gleichsam der Guts-Verde, bietet einen geradezu explosiven Antritt am Gaumen, ist frisch, mit lebendigem Fruchtspiel und diesem ganz feinen Prickeln, das Glückshormone auszuschütten vermag. Wenn man nach den Ursachen für diesen Qualitätsschub forscht, stößt man schnell auf den großen Schatz autochthoner Rebsorten, den sich die Region über die Jahrhunderte bewahrt hat.

Glücklicherweise sind die portugiesischen Weinrevolutionäre in ihrem Herzen Traditionalisten geblieben. Und so ersparen sie der Welt den 1000sten und lassen uns zum ersten Mal einen Arinto probieren. Diese Rebsorte ist nicht nur perfekt an das atlantisch geprägte Klima Nordportugals angepasst. Dank akribischer Arbeit im Weinberg und neuer, Aroma-bewahrender Kellertechnik, die Diogo Teixeira Coelho behutsam einsetzt, zeigt die Traube erstmals ihr schillerndes Potenzial. Mit dem reinsortigen Arinto verlässt die Quinta da Raza endgültig den leichten Vinho-Verde-Kosmos – dieser Wein klopft mit Macht und unwiderstehlichem Charme an die Tür der großen europäischen Rebsorten.

Keine dreißig Kilometer trennen die Quinta da Raza vom , dem Herzen des Portweins. Es gibt wohl keine Weinlandschaft auf dieser Welt, die es mit den majestätischen Terrassen, die sich steil aus dem Dourotal erheben, aufnehmen kann. Auch am Douro vollzieht sich derzeit ein tiefgreifender Wandel. Doch ist er nicht einem Qualitätsschub geschuldet. Im Gegenteil: Die Winzer hier gehören seit jeher zu den besten der Welt, die Schiefersteillagen zu den edelsten Terroirs überhaupt. Doch die Akzeptanz der Weinliebhaber für die schweren, süßen Ports ist im rapiden Sinkflug begriffen. Zunächst notgedrungen, aber im Zuge der sich einstellenden großartigen Ergebnisse mit immer mehr Begeisterung, verlegen sich die Douro-Winzer daher auf das trockene Fach. Wenn man die geschliffenen Gewächse aus den traditionellen Rebsorten wie Touriga Nacional oder Tinta Roriz probiert, fragt man sich verwundert, warum die Portugiesen uns diesen Genuss so lange vorenthalten haben.

Einer der unermüdlichen Wegbereiter für den Wandel am Douro ist der Önologe Osvaldo Amado. Er gehört zu der ebenso seltenen wie sympathischen Spezies, die ihren Ruhm nicht an den hohen Preisen ihrer Weine messen. "Dass wir am Douro große Rotweine im Ultra-Premium-Segment haben, ist mittlerweile bekannt," sagt uns Osvaldo Amado. "Wonach ich strebe, sind Leuchttürme des bezahlbaren Genusses!" Mit der Reserva von der Casa de Cambres ist ihm das in beeindruckender Weise gelungen. Bei der Mundus Vini, dem wohl renommiertesten deutschen Weinwettbewerb, holte der Wein die begehrte Goldmedaille, was bei seinem Preis eine kleine Sensation ist. Osvaldo Amado gelingt mit diesem in französischen Barriques ausgebauten Wein das Kunststück, die Klasse und Tiefgründigkeit der Douroweine zu verbinden mit einem wohlig-samtigen Mundgefühl, von dem wir sicher sind, dass es Ihnen sanfte Schauer über den Rücken laufen lässt.

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS August 2012)