Weingeschichte, Sizilianische Gefühlswelten. Italien - Sizilien

Die Weine vom Gut Baglio Gibellina sind wie ein zärtlicher Kuss nach einem langen Arbeitstag. Die ganze Wärme Siziliens gegen die Kälte da draußen.

Der Mann hat einen Traumjob. Wenn es ein Pendant für die Arbeit von Martino Biscardo gibt, dann die des Produzenten in der Musikbranche. Der braucht ein Ohr für neue Sounds, arbeitet mit unterschiedlichen Künstlern zusammen, prägt deren Stil durch die eigene kreative Arbeit im Studio und trägt gleichzeitig Verantwortung für die Vermarktung. Bei Martino Biscardo sind es keine Künstler, sondern Weingüter, die er nach vorne bringt. "Ich bin keiner von diesen Flying Winemakern, die kurz auftauchen, Staub aufwirbeln und wieder verschwinden", beschreibt er einen seiner Grundsätze. "Projekte im Weinbereich brauchen Zeit und Vertrauen."

Martino Biscardo hat nicht nur klare Vorstellungen davon, wie ein Wein schmecken soll, sondern er weiß auch im Detail, wie im Weinberg und Keller gearbeitet werden muss, um diese Ideen umzusetzen. Genau dieses Maß an Knowhow und Phantasie geht – liebe Kunden, jetzt bitte ganz tapfer sein, denn es tut weh – der Mehrzahl der ehrlich auf ihrer Scholle schaffenden Winzer komplett ab. Martino Biscardo hingegen ist ein Garant für eine Platzierung in den Charts.

Sein neuestes Projekt realisiert er mit dem Gut Baglio Gibellina auf Sizilien. Die Weinberge liegen im Herzstück des sizilianischen Weinbaus: den Hügelzonen der Provinz Trapani im Westen der Insel. Drei Rebsortenweine – , und – reifen hier heran, jeder ein harmonisches Meisterwerk seiner Art. "Sizilianische Rotweine sind pure Seide am Gaumen – wenn es denn gelingt, trotz heißem Klima die kostbare Frische und damit die Eleganz in den Trauben zu bewahren", beschreibt Martino Biscardo die entscheidende Hürde. Dank seiner Arbeit haben die drei Baronie-Coraldo-Weine sie locker übersprungen. Gemeinhin gilt von den drei Trauben der würzige Nero d’Avola als die autochthone Vorzeigerebe . Begonnen hat der Aufstieg der Insel zur Top-Region allerdings mit den internationalen Reben Merlot und mehr noch mit Syrah, der auf eine lange Geschichte hat. Hartnäckig halten die Italiener an der Legende fest, die Rebsorte sei nach der Stadt Syrakus auf Sizilien benannt. "Mit dem Nero d’Avola zeigen wir unsere Einzigartigkeit", sagt Martino Biscardo. "Aber wenn es darum geht, welcher Wein sich mehr wie Sizilien anfühlt, dann ist es für mich der Syrah mit seiner wunderbaren Wärme, seinem Pfeffer und diesem aufbrausenden Temperament." Und sizilianische Gefühlswelten sind genau dass, wonach wir uns an grauen Novembertagen sehnen.

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS November 2012)