Sture Schönheit

Giulia Negri

Giulia Negri ist 22 Jahre alt, bildschön und hat die Weinwelt des ganz schön durcheinandergewirbelt.

Schönheit öffnet Türen und macht das Leben leichter, sagen die Soziologen. Aber gilt das auch in der Welt sturer piemontesischer Bergwinzer? Alles begann mit dem Urgroßvater der Winzerin Giulia Negri, der Weinreben in einem sehr hoch gelegenen Teil des Barolo-Gebietes pflanzte. Sein Sohn aber rupfte alles wieder raus. "Der verrückte Opa", wie er liebevoll in der der Familie genannt wird, wollte nämlich die Trüffeln in den Wäldern nicht finden, sondern züchten. Also pflanzte er ausgesuchte Bäume an den "guten" Stellen. Der gemeine Trüffel jedoch war noch sturer – er wuchs woanders. So war es der nächsten Generation vorbehalten zur Politik der Vernunft zurückzukehren und wieder Wein zu kultivieren, was Papa mit der Tenuta Serradenari auch prächtig gelang.

Und was macht "die kleine Giulia"? Sie hat einen sehr ungewöhnlichen Spielplatz und darf auf einigen Parzellen des elterlichen Weinguts ihren eigenen Wein machen. Mit dem Jahrgang 2006 legt sie ihr schon mehr als beachtliches Gesellenstück vor. Aber bereits ein Jahr später ziert ihr Barolo die Liste der 100 besten Weine der Welt, herausgegeben von der renommierten amerikanischen Zeitschrift Wine Enthusiast: "Dieser Newcomer mit seiner tintenschwarzen Erscheinung zeigt eine wunderschöne Intensität. Die Aromen sind weich und nachgiebig mit süßen Tönen von wilden Beeren und exotischen Gewürzen, fein eingewebt zwischen Leder, Tabak und Lakritze." Nicht schlecht für einen Teenager. Ab jetzt prasseln die positiven Bewertungen nur so – sie liegen immer über 90 Punkten. Und der Markenbegriff, den sie selbst dafür schafft, liegt auf der Hand: Barologirl.

Und als das 18-jährige Girlie zwischendurch auf einem Weingut im arbeitet, verliebt es sich unsterblich in und (ital. Pinot Nero) und schleppt zwei besonders gute Klone mit nach Hause. Natürlich misstrauisch beäugt von den alten Herren: Das haben wir ja noch nie so gemacht, diese jungen Leute heutzutage… Aber auch hier gilt: Die Wahrheit liegt im Glas. Die Ergebnisse waren so umwerfend gut, dass die Herren respektvoll verstummten. Und sollte noch ein Zweifler übrig bleiben: Ihr Lächeln entwaffnet auch den schlimmsten Sturkopf und lässt ihn stammelnd zurück – wie Obelix beim Anblick von Falbala…

Wendelin Niedlich

(WEIN NEWS Oktober 2014)