Das Piemont: Schön durch Sturheit

Südlich von Turin lebt der Genuss. Die Brüder Manfredi erzeugen im Astigiano und der Langhe mit Ausnahmestatus.

Die Piemonteser sind Sturköpfe. Gut so! Während andere Weinregionen den internationalen Geschmacksmoden hinterherhecheln – derzeit: raus aus dem Weinberg, dafür rein – machen die Norditaliener ungerührt ihr Ding. Die dahinterstehende Marketingstrategie lautet: Irgendwann probiert ihr unsere Weine und dann haben wir euch sowieso!

Die Basis dieser Gelassenheit heißt Barbera, und Dolcetto. Diese drei Rebsorten besitzen solch eine Strahlkraft und Eigenständigkeit, dass man sie auch blind in der großen Masse von Weinen sofort erkennt. Sie sind echte Piemonteser, was bedeutet, dass Nebbiolo und Dolcetto ihre Heimat bisher nicht verlassen haben und auch Barbera kaum über die Nachbarregion hinaus kam. Die Rollenverteilung unter den Dreien ist klar. Barbera ist die herzliche, punktet mit kernigen Sauerkirschnoten und pikanter Würze. Dolcetto sorgt für die sanften, sinnlichen Momente – aber keinesfalls für vulgäre Schmuseattacken, die mag man im ganz und gar nicht! Der Nebbiolo (der Stoff, aus dem der Barolo gemacht wird) schließlich ist ein Kosmos für sich: Mächtig, nobel und mit einer Aura des Unnahbaren versehen, die ihn umso attraktiver macht.

Wenn es denn einen Ort gibt, um der Magie des Piemonts und seiner Weine vollends zu erliegen, dann ist es Bricco Rosso – die rote Villa und der Weinkeller im Besitz von Luigi und Aldo Manfredi: Inmitten der Langhe gelegen, dem Herzstück des piemonteser Weinbaus, auf Weinbergen thronend und mit weitem Blick über das Rebenmeer bis hin zu den Alpen. In dieser Traumlage finden Dolcetto und Nebbiolo auf kargen Kalkböden genau das Terroir, das sie lieben. In ihrem Langhe DOC "Suagnà" bringen die Manfredis diese beiden Rebsorten zusammen. Das ist ungewöhnlich, aber dass die Piemonteser stur sind bedeutet nicht, dass sie nicht innovativ wären. Sie trauen halt nur den Innovationen, die sie selbst erfinden. Der "Suagnà" kann als absoluter Glücksfall gelten. Er ist ein großer Rotwein, er bringt 100 % ins Glas und er lockt auf eine ebenso subtile wie aufregende Weise, der sich auch Piemont-Neulinge schwerlich entziehen können. Wie gesagt, irgendwann ist es so weit. Warum nicht jetzt?

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS Dezember 2013)