Freibeuterweine vom Gardasee - Felugan und Torfel

An der Südspitze des Gardasees erzeugt Massimo Sbruzzi zwei unverwechselbare Weine aus lokalen Rebsorten. Seinen Lugana und seinen Torfel ziert zu Recht ein Piratenetikett – denn sie sind Freibeuter des Genusses in einer zunehmend einheitlichen Geschmackswelt.

Die Menschenmenge in Riva di Garda blickt gespannt in das nächtliche Schwarz des Gardasees. Von dort nähert sich ein Passagierdampfer, dem, zum Klang von Gladiatorenmusik, sportliche junge Männer entsteigen – der FC Bayern gibt sich die Ehre. Die Empfangszeremonie anlässlich des alljährlichen Sommertrainingslagers nimmt ihren unvermeidlichen Lauf. Doch dann die Überraschung: Die Fußballer prosten ihrer zahlreichen Anhängerschar mit zu und in den artigen Interviews fällt immer wieder das Wort Lugana. Was ist das für ein Zaubertrank, der selbst hartgesottene Fußballprofis zumindest zeitweilig vom Biergenuss abhalten kann?

Der Lugana ist einer dieser einmaligen Glücksfälle, die die Weinwelt so spannend machen. Ein kleines Weingebiet an der Südspitze des Gardasees. Eine Rebsorte – Trebbiano di Lugana – die es nur hier gibt. Und eine Handvoll Winzer, die der Versuchung widerstanden, doch lieber anzubauen, weil man den besser vermarkten kann. Einer der besten dieser Winzer ist Massimo Sbruzzi vom Weingut Feliciana. Sein Lugana namens "Felugan" kommt im ansprechenden Freibeuter-Look daher und das nicht ohne Grund. Sbruzzi segelt als unabhängiger Landwirt und Winzer gegen alle Flaggen geschmacklicher Vereinheitlichung. Den landwirtschaftlichen Mischbetrieb seiner Eltern hat er zu einem Agriturismo mit angeschlossenem Restaurant weiterentwickelt, in dem er fast ausschließlich selbst erzeugte Produkte anbietet. Dieser Wille zur Unabhängigkeit prägt auch den Felugan. Der ist von so eigenständiger Klasse, Spielfreude und Eleganz, dass nicht nur Anhänger des Systemfußballs voll auf ihre Kosten kommen.

"Ja und?", werden viele Dortmund- oder HSV-Fans sagen. Was die Bayern trinken, trink’ ich sowieso nicht. Darum erzeugt Sbruzzi noch einen weiteren, ebenso umwerfenden Wein, den Torfel. Dieser für unsere Ohren unfreiwillig komische Name ist die lokale Bezeichnung für die einstige italienische Rebsorte Tokai, die aber laut EU-Recht wegen Verwechslungsgefahr nicht mehr so heißen darf. Soviel bürokratischer Unsinn rechtfertigt allemal ein Piraten-Etikett. Zumal der Torfel sehr freibeuterisch mit seinen Aromen umgeht. Er ist druckvoller als der Felugan und von solch überbordender Pracht, dass es einem vor purer Lust die Sprache verschlägt.

Mit dem unschlagbaren Duo Felugan und Torfel sind Sie in jedem Fall auf höchstem Niveau für die kommenden kulinarischen Highlights gerüstet, sei es gegrillter Fisch, grüner Spargel, Carpaccio oder ein glücklichmeditativer Fußballabend auf der Terrasse.

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS Mai 2012)