
GERDS "Große Gewächse" -Probe 2016
Was sind der VDP und die "Großen Gewächse"?
Die "Großen Gewächse" sind seit etlichen Jahren die Aushängeschilder der VDP-Weingüter. Im VDP (Verband deutscher Prädikatsweingüter) sind rund 200 deutsche Weingüter organisiert, die nach eigenem Anspruch die Spitze des deutschen Weinbaus darstellen. Verbandsmitglied kann ein Weingut nicht einfach werden, sondern muss von einer regionalen VDP-Auswahlkommission dazu berufen werden. Die Hürden dazu sind in den einzelnen Anbaugebieten unterschiedlich hoch, aber generell ist es für junge, aufstrebende Weingüter sehr schwer, VDP-Mitglied zu werden. Die Auswahlkommission des VDP Mosel hat beispielsweise in diesem Jahr in geheimer Abstimmung mit Markus Molitor einem der weltweit renommiertesten Erzeuger die Aufnahme verweigert. Auf der anderen Seite gehören auf Grund der über hundert Jahre währenden Geschichte des Verbandes auch noch einige Betriebe dem VDP an, die nicht mehr unbedingt zur absoluten Spitze des deutschen Weinbaues zählen. Dennoch lässt sich konstatieren, dass die gut 200 VDP-Mitglieder einen Großteil der deutschen Weinelite abbilden.
In den letzten Jahren hat sich der VDP unabhängig vom offiziellen Weingesetz eine eigene, sehr sinnvolle, Lagenklassifikation nach burgundischem Vorbild verordnet. Sie umfasst in der "Qualitätspyramide" von unten nach oben Gutsweine, Ortsweine, Erste Lagen und Große Lagen. Die Weine aus den Großen Lagen, die "Großen Gewächse" stellen die Spitze der Qualitätspyramide dar, stammen aus den vom VDP als den Besten definierten Lagen der Region (nicht immer unumstritten), dürfen mit maximal 50 Hektoliter pro Hektar geerntet werden, sind obligatorisch trocken, entsprechen vom Mostgewicht her mindestens einer trockenen Spätlese und werden erst gut ein Jahr (weiß) bzw. zwei Jahre (rot) nach der Ernte ab dem ersten September für den Verkauf freigegeben. Und sie sind teuer: Der VDP strebt an, dass die Verkaufspreise der großen Gewächse seiner Mitglieder ab Hof bei ca. 25 € pro Flasche beginnen. Daher kommen nicht automatisch alle theoretisch geeigneten Großen Lagen als Großes Gewächs in die Flasche: Etliche Weingüter haben so viel anteiligen Besitz in Großen und Ersten Lagen (August Eser im Rheingau beispielsweise rund 80% seiner Fläche), dass sie einen Großteil als Ortswein abstufen um in den "gängigeren" Verkaufspreisklassen adäquat vertreten zu sein. Ergo ist der Anspruch an die Großen Gewächse, dass sie im trockenen Segment die Spitze des deutschen Weinbaus darstellen – sozusagen das Beste aus den besten Lagen.
Jedes Jahr hat kurz vor der offiziellen Freigabe am 1. September eine weltweit ausgewählte Gruppe von Journalisten, Sommeliers und Fachhändlern die Gelegenheit, an zwei Tagen über 400 der insgesamt rund 500 produzierten "Großen Gewächse" zu verkosten. Seit über zehn Jahren (viel länger gibt es diese Kategorie ohnehin noch nicht) habe ich das Glück, an dieser Verkostung teilnehmen zu dürfen, die einen guten Aufschluss über die Qualität des Jahrganges und den Leistungsstand der einzelnen Erzeuger bietet. Dieses Jahr kommuniziere ich erstmals meine Ergebnisse für Sie.
Es grüßt Sie herzlich
Gerd Rindchen
Weißwein-Jahrgang 2015
Die Erwartungen waren groß: Schon die "normalen" Weißweine warteten 2015 mit teilweise sehr beachtlichen Qualitäten auf. Das Jahr brachte viel reifes Lesegut hervor, und während die Vorjahre eher kernige Säuren aufwiesen, gab es 2015 manchmal eher zu wenig davon. Gerade das an sich gute Jahr führte bei sehr vielen "Großen Gewächsen" nach meinem Empfinden dazu, dass es ein wenig "Des Guten zu viel" gab: Wenn schon normale Weine mit normalen Erträgen schön reif werden, dann werden Weine aus den begünstigsten Lagen, zumal wenn sie durch die Ertragsbeschränkung auf maximal 50 Hektoliter pro Hektar sich noch mehr in Richtung Hochreife entwickeln, im Zweifelsfalle ein wenig "überkonzentriert". Und das war auch mein Gesamteindruck der Verkostung: Wenig wirkliche Spitzen, viel solides Mittelmaß auf hohem Niveau, viele brave, gut gemachte Weine, denen häufig ein wenig die Brillanz und das Säurespiel abgingen, die aber durchweg sehr dicht und konzentriert waren. Für Körpertrinker war das Jahr genial – meine bevorzugten Weine jedoch kamen dieses Jahr nicht aus meinen sonstigen Favoritengebieten Nahe, Rheinhessen und Pfalz, sondern aus den kühleren Gebieten, allen voran der Saar, gefolgt von der Mosel.
Rotwein-Jahrgang 2014
Das war ziemlich gut: Das große Problem der meisten deutschen Spätburgunder ist ja immer noch eine gewisse marmeladige Beliebigkeit, die meilenweit entfernt ist von der brillanten Mineralik der – wenigen – besten Weine aus dem Burgund. Da kam so ein kühles, säurefrisches Jahr wie 2014 gerade recht, um in der Spitze elegante, mineralisch geprägte Spätburgunder zu erzeugen. Das ist in allen relevanten Gebieten einigen Betrieben geglückt.
Rheingau
Der Rheingau hat in Relation zum Leistungsstand des Anbaugebietes einen überproportional hohen Anteil an VDP-Mitgliedern. Deswegen fallen die "Große Gewächs"-Proben im Rheingau traditionell recht heterogen aus. Mein Jahrgangssieger war dieses Jahr –nicht zum ersten Mal- das Weingut Josef Spreitzer mit einem Wisselbrunnen als höchst bewertetem Wein des Gebiets, dicht gefolgt von Robert Weil, Künstler, Ress, Kesseler, Leitz und Eser.
Nahe
Mein langjähriges Welt-Lieblings-Weißweingebiet zeigte sich mit den 2015ern nicht in der Form seines Lebens. Auch hier relativ viele brave, recht säurearme, "dicke" Weine, mein Jahrgangssieger, nicht zum ersten Mal, war das Norheimer Dellchen von Dönnhoff, gefolgt vom Steinberg von Gut Herrmannsberg. Dahinter Dier, Kruger-Rumpf, Schäfer-Fröhlich (Ausnahme: Stromberg) und Emrich-Schönleber.
Rheinhessen
Auch hier recht dichte, kraftvolle Rieslingweine, denen manchmal ein wenig Säurespiel fehlte, aber mehr und deutlichere Spitzen als an der Nahe. Die absolut beste Gutsbewertung erreichte Kühling-Gillot mit einer tollen Performance und einem Rothenberg "wurzelecht" als Gebietssieger, gefolgt von Gunderloch, Wittmann, Keller und Battenfeld-Spanier. Kellers Morstein war der beste Spätburgunder.
Pfalz
Aus dem recht homogenen Rieslingfeld ragte der Pechstein von Mosbacher als Gebietsbester heraus, der auch den höchsten Gebietsschnitt hatte, gefolgt von Rebholz. Acham-Magin und Pfeffingen haben qualitativ mit den großen Klassikern Buhl und Von Winning geleichgezogen, wobei bei letzterem der starke Holzeinsatz mal mehr, mal weniger passte. Kuhn, Rebholz und Bernhart hatten die schönsten Weißburgunder, Becker (2013) und Rebholz (2011) die spannendsten Spätburgunder.
Franken
Silvaner des Jahres ist eindeutig der Rothlauf von May, dicht gefolgt vom Maustal von Luckert, Weltner und dem Juliusspital. Der 2014er Stein vom Juliusspital präsentierte sich als der eindeutig beste Riesling, ebenfalls sehr gut Fürst und Weltner. Dicht dahinter Fürst Löwenstein.
Württemberg
Bei den Rieslingen reichten hier 92 Punkte (Ruthe von Neipperg, Gips von Aldinger) für das Siegertreppchen in einem recht durchwachsenen Umfeld. Bei den Spätburgundern hatten Schnaitmann und Aldinger die Nase vorn, der mit weitem Abstand tollste Lemberger kam von Dautel.
Baden
Einen der drei besten Graubugunder neben Heger und Salwey und, noch besser, den großartigsten Weißburgunder steuerte Bercher bei. Bei den Spätburgundern teilten sich Bercher und Huber die besten Bewertungen, dicht gefolgt von Heger.
Sachsen / Saale-Unstrut
Der beste Wein aus den östlichen Weinbaugebieten war der Edelacker Weißburgunder von Pawis.
Ahr
Ein sehr dichtes und homogenes Spätburgunderfeld mit einem Sonnenberg von Meyer-Näkel als – knappem – Gebietssieger. Ganz dicht dahinter Jean Stodden.