Die wunderbare Welt des Eric Mari

Dem Weingut Prade Mari eilt der Ruf voraus, in seinen samtigen Rotweinen die Aromen aus 1001 Nacht einzufangen. Kein Wunder, denn Winzer Eric Mari hat orientalische Wurzeln.

Märchenhaft erscheint sie, die Welt des Eric Mari, unberührt und bevölkert von wunderlichen Wesen. Da gibt es singende Olivenbäume, naschhafte Wälder und geheimnisvolle Quellen. Ihnen widmet der Südfranzose seine Weine: den Chant de l’Olivier, den Gourmandise de Bois oder den Secret de Fontenille. Wer da an 1001 Nacht denkt, liegt gar nicht so falsch. Die Familie Mari hat franco-algerische Wurzeln. In den sechziger Jahren gab sie nach der Unabhängigkeit Algeriens ihr dortiges Gut auf und kehrte zurück ins südfranzösische Minervois, um im Weinbau neu anzufangen. Der Mittdreißiger Eric kennt den Maghreb nur aus Erzählungen von Vater und Großvater. Aber diese familiäre Tradition prägt ihn nachhaltig: die Geschichten, die arabische Küche und vor allem die Wohlgerüche des Orients blieben nicht ohne Wirkung – auch für den Winzer. Der sieht sich im südfranzösischen konfrontiert mit Kollegen, bei denen schweißige Rotweine mit animalischen Noten als Nonplusultra gelten. Schwer zu ertragen für eine sensible, orientalisch geschulte Nase wie die Eric Maris.

Notgedrungen machte sich Eric daran, das neu zu erfinden. Seine wichtigsten Mitstreiter fand er in den Rebsorten und Carignan, die eine von schwelgerischem Körper, die andere mit faszinierenden Wildkirsch- und Blütenaromen. Diese pflanzte Eric in den ton-kalkhaltigen "Mourels", die zu den besten Terroirs Südfrankreichs zählen. Dann hauchte er seinen Weinbergen Leben ein. Er begrünte sie u.a. mit Rosmarin, wodurch Schmetterlinge und Vögel zurückkehrten. Solche naturopathischen Methoden – ein in immer mehr Anhänger findender naturnaher Ansatz – verbessern das Mikroklima im Weinberg und sorgen für eine natürliche Schädlingsbekämpfung. Beides zielt auf gesundes, physiologisch reifes, vollaromatisches Lesegut.

Das größte Wunder aber ereignet sich im Weinkeller. Denn dort geschieht: Nichts. Kein Stahl, keine Pneumatik oder sonstiges Hightech – nur traditionelle Gärtanks und neue Barriques. Mit diesen minimalistischen Mitteln erzeugt Eric Mari von einer Fülle, Reintönigkeit und Schönheit, die schlicht ein Fest für Nase und Gaumen sind. Und so liegt man auf einem Kräuterbett unter dem nächtlichen Himmel des Midi, lauscht dem singenden Olivenbaum, nascht die Beeren des Waldes und kommt vielleicht sogar dem Geheimnis der Quelle auf die Spur – in der wunderbaren Welt des Eric Mari.

Gotthard Scholz

(WeinNews März 2012)