Katalonien unplugged! Spanien - Montsant

Über 10 Euro für einen Rosé im November? Da muss man ja verrückt sein! Stimmt. Verrückt und im seligen Sinnentaumel. Die katalanische Region Montsant bietet Genüsse in bisher unbekannter Dimension.

Albert Jané begeistert sie alle. Vom Wine Advocate des amerikanischen Weinpapstes Robert Parker bis zu Gerhard Eichelmann, der sich eher dem regionalen Weinbau verpflichtet fühlt – bei den von Acústic Celler geraten sie kollektiv ins Schwärmen und zücken bis zu 94 Punkte. Diese traute Eintracht ist um so erstaunlicher, als Albert Jané ein Grenzgänger ist: Überzeugter Katalane, Kritiker eines globalisierten Weingeschmacks, Verfechter uralter Rebsorten, Liebhaber von Oldtimer-Kellertechnik, Erfinder ebenso genialer wie kurioser Weine wie den Acústic Rosado.

Eigentlich wollte Albert Jané gar nichts zu tun haben mit Wein. Sein erster Berufswunsch war Tierarzt. Vater Benjami Jané Ventura, einer der großen Cava-Pioniere, setzte auf Zeit und Geduld. So impfte er seinem Sohn während des Veterinärmedizinstudiums das süße Gift der Weinleidenschaft ein. Mit Erfolg, denn Albert schwenkte um und stieg neben seinem Bruder in den Familienbetrieb ein. Bis zu seinem 33. Lebensjahr. Da stellte er sich hin und sagte: "Ich will mich den Zwängen des globalen Weinbusiness nicht weiter beugen, ich geh zurück zu unseren katalanischen Wurzeln!", kaufte sich eine uralte Bodega im abgelegenen und gab ihr den Namen Acústic Celler. In der rund 100 km westlich von Barcelona nahe Tarragona gelegenen Region fand Albert Jané Weinberge vor, die noch in den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts gepflanzt wurden. Bestockt sind sie mit Garnatxa und Carinyena, den autochthonen Trauben der Gegend. Hierzulande sind diese Rebsorten unter den französischen Namen und Carignan bekannt, aber erzählen Sie das bitte keinem Katalanen, denn die reklamieren nicht unbegründet das Ursprungsrecht an den beiden Reben für sich.

"Was mir vorschwebt", sagt Albert Jané, "sind pure, ungeschminkte, unverstärkte Weine – unplugged eben, denn das bedeutet acústic im Katalanischen." Seine per Hand geernteten Trauben bringen alles mit, um diese Vorgaben zu erfüllen. Dank der uralten Reben auf den steinigen Terrassenlagen und geringster Erträge von nur 15-25 Hektoliter/ha lösen schon die Beeren eine Aromenexplosion aus geballter Frucht, Würze und Mineralität aus. "Genau diesen Geschmack will ich in die Flasche bringen", erklärt Albert, "und darum heißt es im Keller: Finger weg! Nur das Minimum tun, um das Maximum zu erreichen." In einer traditionellen hölzernen Presse werden die Trauben gepresst, mit den eigenen Hefen spontan vergoren und reifen dann in teils neuen, aber überwiegend bereits belegten französischen Barriques, weil so Frucht und Terroir optimal heraus poliert werden. Allen Weinfans, die bei Barrique als Erstes an feiste Vanille, Kokos und Karamell denken, sei gesagt: keine Spur!

Der ungewöhnlichste Wein der Range ist der Acústic Rosado, der einen – unverstärkt hin oder her – glatt vom Hocker pustet. Mit landläufigen Vorstellungen eines Rosé von zart und beschwingt hat dieses Gewächs nichts gemein, wird es doch aus denselben substanzreichen Trauben erzeugt wie die Roten. Zu den Rebsorten Garnatxa und Carinyena kommt hier noch die Garnatxa Roja, eine von Natur aus roséfarbene Traube. Letztere bringt das nötige Maß an Säure- und Fruchtspiel in die Cuvée ein. Ein kleiner Teil des Weins wird zudem im Barrique ausgebaut – und so entsteht ein phänomenales Gaumenkonzert, das alle Register zieht von brillanten rotbeerigen und ätherischen Obertönen, über einen kompakten Körper in Moll bis hin zu den wunderbar groovenden, kräuterwürzigen Bässen. Leider ist dieses Genusserlebnis streng limitiert. Denn Albert Jané sieht in dem Rosado bisher mehr ein Experiment und füllt nur eine Handvoll Flaschen ab. Davon haben wir uns mit viel Überredungskunst ein kleines Kontingent für Sie gesichert.

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS November 2012)