Primitiv und Doppeltschwarz

Weingut Vigneti Reale

Der Stiefelabsatz Italiens, das Salento, hat drei Attraktionen: den , den und die furiosen Brüder Reale.

Aufstehen. Wenn es denn ein Lebensmotto für Damiano und Amedeo Reale gibt, dann dies: immer wieder aufstehen. Dabei sieht die alte Familienvilla nahe der Barockstadt Lecce von weitem aus wie das gemachte Bett. Von nahem allerdings wirkt das Ganze weniger "reale", also königlich, sondern ziemlich real – und was das im krisengeschüttelten bedeutet, liegt auf der Hand. Glanz hingegen verbreitet die Kellerei, in die die Brüder jeden verfügbaren Euro stecken. Ursprünglich waren die Reales lediglich Traubenlieferanten der örtlichen Genossenschaft, hoch geachtet und mit Ehrenämtern versehen. Doch dann versiegten die EU-Subventionen. "Unser Erfolg gründet buchstäblich auf Ruinen", erzählt Damiano Reale, "denn wir übernahmen die Winzergenossenschaft nach deren Konkurs – fest davon überzeugt, dass unsere roten Rebsorten Primitivo und Negroamaro im Konzert der großen Weine mitspielen können."

Der Negroamaro – sprachlich zusammengesetzt aus dem italienischen negro und dem griechischen maphro, was beides schwarz bedeutet – ist eine der ältesten Kulturreben der Welt: tanninarm und anschmiegsam, mit runder Frucht und ausgeprägter Kräuternote. Der Primitivo – eigentlich von "primo", also früh reifend – appelliert an tiefsitzende Genussinstinkte: schokoladig, dunkelbeerig, mit ebenso mächtigem wie fellweichem Tannin. Mit rund 250 Hektar Betriebsflächen, davon 85 ha mit Reben bestockt, führen die Reales nicht gerade einen Kleinbetrieb. Doch nur die Trauben aus ihren besten Lagen gelangen in die sehr überschaubare Flaschenproduktion. Drastische  Ertragsreduzierung, schonende Lese von Hand, temperaturkontrollierte Gärung – dies sind die entscheidenden Schritte hin zu großen Weinen.

Nach famosen Anfangserfolgen wollten und mussten die Reales den nächsten Schritt gehen. Denn der Weingeschmack der Konsumenten ändert sich nicht nur, er fordert auch mehr Qualität. "Noch vor kurzem waren besonders die Deutschen begeistert von molligen, kompottigen, leicht oxydativen Roten aus Apulien. Heute geht es ihnen um klare Frucht, Spannung, Komplexität", beschreibt Damiano die Entwicklung. Die aber fordert noch mehr Einsatz im Weinberg, noch penibleres Arbeiten im Keller und ein mehr an Know-how. Also erfanden sich die Reales wiederum neu, holten einen neuen Önologen ins Boot und brachten mit ihm sämtliche Prozesse auf ein höheres Level. Was sich mit dem letzten Jahrgang schon andeutete (und bei Ihnen eine mächtige Resonanz fand), zeigt sich bei den 2012ern in voller Pracht, Brillanz und Klarheit. So ist es möglich, tiefer als je zuvor in die sanfte süditalienische Seele dieser beiden zu schauen.

Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Juni 2014)