Malvasia - mythische Traube

Legenden und Lieder vergangener Tage ranken sich um die Malvasia-Rebe. Und auch so manches Märchen. Die Gebrüder Reale holen sie aus dem Dornröschenschlaf.

Ihr Fanclub ist so groß wie prominent: Luther, Shakespeare, Thomas Mann – sie alle verewigten die Malvasia in ihren Schriften. Die wildeste Geschichte jedoch spinnt sich um den 1. Duke of Clarence, George Plantagenet. Der war 1478 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden. Auf eigenen Wunsch soll er im Tower von London durch Ertränken in einem Fass Malvasier das Zeitliche gesegnet haben. Die Traube war also ein echter Superstar. Schon in der Antike. Ihr Name ist der Hafenstadt Monemvasia entsprungen, einem Umschlagplatz für griechische Weine auf dem Peloponnes. Von dort startete sie ihren sagenhaften Siegeszug. Im Lauf der Jahrhunderte wurden rund 100 rote und weiße Sorten als Malvasia bezeichnet. Doch nur wenige sind wirklich verwandt.

Es handelt sich ergo nicht um eine homogene Rebsortenfamilie. Sie war schlicht zum Qualitätssiegel für exzellenten Wein geworden, wahrscheinlich so etwas wie die allererste Premium-Marke im Wein-Business. Über die Jahre war sie etwas in Vergessenheit geraten, vielleicht auch weil durch die Sprachverwirrung ein klares Profil fehlte.

So fristete sie in Süditalien ihr Dasein als Süßwein oder einfacher Mittagstropfen. Bis Winzer kamen wie die von uns hochgeschätzten Brüder Amedeo und Damiano Reale. Die beiden Apulier haben seit jeher einen Blick für Originale und das Potenzial heimischer Reben.

Die Erfolgsgeschichte von Primitivo und Negroamaro haben sie mitgeschrieben. Und auch der Malvasia vermochten sie wieder zum märchenhaften Aufstieg zu verhelfen. Zuerst wurde sie auf Diät gesetzt. Ertragsreduzierung und sorgfältigste Bearbeitung ihrer wertvollen Weinbergsparzellen sind für die Familie Reale selbstverständlich. Dann spendierte man ihr noch eine Frischzellenkur im Keller, sparte an der Süße, und siehe da: Sie strahlt wieder wunderschön – in den drei Farben der Weinwelt, Weiß, Rosa und Rot. So ist und bleibt sie ein echter Charmeur, ein Tausendsassa, der überall Bella Figura macht. Am besten neben den Antipasti auf Ihrer Terrasse.

Roman Bergold
WEIN NEWS April 2020