Gigant in Reinform - Rhône

In den Châteauneuf-du-Pape von Bertrand Stehelin kommen nur Trauben und Terroir. Dieser Purismus lässt den Giganten von der in nie gekannter Schönheit erstrahlen.

Gibt es ein Gen für Weinmacher? Bertrand Stehelin scheint der lebende Beweis zu sein. Mutter Nicole und Vater Frédéric kommen aus zwei der bedeutendsten Winzerfamilien der Rhône. Schnell wurde den Eltern klar, dass sich im Talent ihres Ältesten die Fähigkeiten der Familien potenzieren. Darum eröffneten sie dem jungen Bertrand die Chance, auf zunächst vier Hektar eigene Weine zu erzeugen. Ganz uneigennützig handelten die Eltern wohl nicht – fühlten sie sich doch so auf ihrem eigenen Weingut nicht unter Druck gesetzt von Bertrands genialem Geist.

Das Start-up begann 2003 mit einem Coup. Bertrand Stehelin baute seinen Châteauneuf-du-Pape ausschließlich im Stahltank aus. Das war verwegen zu einem Zeitpunkt, da sich die Barrique-Euphorie auf dem Höhepunkt befand und die ganze Welt den Vanille- und Röstaromen verfallen war. "Wir haben hier achtzigjährige Grenache-Reben auf einem der erwiesenermaßen besten Terroirs der Welt", begründet er seine Entscheidung, "diesen einzigartigen Geschmack überdecke ich doch nicht mit Holz!" Stattdessen setzt er all’ seinen Ehrgeiz daran, die geballte mineralische Substanz des berühmten kieseldurchsetzten Roten Tons in den Trauben zu konzentrieren. Dieser Purismus bringt Weine von strahlender Schönheit hervor. Jeder Jahrgang hat seine ganz eigene Handschrift – doch immer wird man überwältigt von der tiefen Frucht, dieser sich in feinste Nuancen verästelnden Komplexität und diesem Nachhall, der Sie auf ebenso mächtigen wie sanft geschliffenen Tanninen ins Endlose gleiten lässt.

Mit demselben Enthusiasmus erzeugt Stehelin auch seinen Sablet, eine Cuvée aus , und . Der Wein hält Kontakt zur Klasse seines großen Bruders und es mag Tage geben, an dem Sie ihm wegen seiner saftigen Beerenfrucht, seinem schwelgerischen Wesen und – auch nicht zu vernachlässigen – seinem Preis den Vorzug geben. Das vielleicht Schönste an den Weinen von Bertrand Stehelin ist, dass Sie keine Ehrfurcht vor ihnen haben brauchen. Die kommt von ganz allein.

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS Oktober 2013)