Die Geister der Garrigue

Wenn Weine im "Paradies-Tal" wachsen, darf man Hochgenuss erwarten. Der Rote und der Rosé der Domaine de la Grange betören mit den Kräuterdüften des Mittelmeers. 

Gerademal zweihundert Seelen beheimatet der südfranzösische Weinort Casacastel. Aber der Ruf seiner Winzer ist legendär. Es gibt wohl kaum eine Prämierung, bei der sie nicht geehrt werden. "Das Medaillenaufkommen pro Haushalt habe ich noch nicht berechnet", amüsiert sich Pierre Amiot, "aber ich vermute, da liegen wir national sehr weit vorn." Monsieur Amiot ist der Chefönolge der Maîtres Vignerons de Cascastel, der Winzermeister von Cascastel, zu denen auch die Domaine de la Grange gehört. Der Mann hat einfach ein Händchen für Wein, und dass er offensichtlich schwer zu tragen hat, liegt nicht an der Bürde des Erfolgs, sondern an seiner Lust am Essen und den guten Dingen im Leben. "Unsere alten Weinberge sind von der Natur bevorzugt", erklärt er diesen ganz besonderen Geschmack seiner Weine. "Uns helfen die geschützte Tallage, unsere Böden, das Klima – und vielleicht auch die Geister der Garrigue!"

Wer von der Küstenautobahn zwischen Narbonnes und Perpignan die D 27 Richtung Binnenland einschlägt, verliert sich schnell in einer wild-romantischen, kargen Berg- und Heidelandschaft: der Garrigue. Wir können jedem nur empfehlen, die Klimaanlage auszuschalten, die Fenster trotz Hitze zu öffnen und den würzigen Duft von Kräutern, Steinen und Meer einzuatmen. Genau diese Aromen – in Verbindung mit einer knackigen Beerenfrucht – lassen sich in den Weinen der Domaine de la Grange entdecken. Nachdem der Höhenzug überwunden ist, öffnet sich ein Tal, das die Einheimischen schlicht Vallée du Paradis – Paradies-Tal – nennen. Die Weinberge hier zählen zum renommierten Anbaugebiet Corbières.

Pierre Amiot lässt es sich nicht nehmen, uns durch sein Reich der Reben zu führen. Es folgt eine zweistündige Autofahrt mit diversen Zwischenstopps und Weinbergsbegehungen: einmal sind es die Schieferböden, ein anderes Mal die Höhenlage, bei den nächsten Exkursionen die Besonderheiten der Rebsorten , , Cinsault und Carignan. Der Mann ist ein beseelter Perfektionist. "Wir legen viel Wert darauf, unsere einzelnen Lagen und die unterschiedlichen Terroirs möglichst unverfälscht in die Flasche zu bringen", erklärt Pierre Amiot. "So erhalten der Rote und der Rosé der Domaine de la Grange ihre besondere Identität." Wie sich bei diesen beiden Kraft, Mineralität und Sanftmut vereinen, das können wohl wirklich nur die Geister der Garrigue bewirken.

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS September 2013)