Der mit dem Aroma spielt - Siener-Dr. Wettstein

Ein Zwischenstopp auf dem Weg nach Süden entpuppte sich als neues Leben: Die Pfälzer Topwinzer Martina und Martin Wettstein.

Es ist nicht genau überliefert, was die beiden alten Herren im ersten Moment über ihren jungen Neffen dachten, der 1994 mit seinen lockigen Haaren, Ohrringen und seinem Schnauzer samt Kinnbart vor ihnen stand. Aber die beiden alten, sehr angesehenen Winzer Fritz und Hermann Siener hatten ein Problem: die Gesundheit ließ zu wünschen übrig und eine Nachfolge für das Vorzeigeweingut Siener war weit und breit nicht in Sicht. Der junge Mann, Dr. Martin Wettstein, war als Agrarwissenschaftler und Lobbyist in Bonn zwar erfolgreich und wohlhabend, aber nicht zufrieden und daher auf dem Weg "was ganz Neues" zu machen: Olivenzucht in Italien, um mal ein Gedankenspiel zu nennen. Seine Ehefrau Martina war immerhin Ärztin, also was Seriöses. So kamen Alt und Jung ins Gespräch. Und es sollten noch viele Treffen folgen, bei denen der Entschluss reifte, dass das neue Leben von Martina und Martin Wettstein in der Deutschlands, der südlichen , stattfinden sollte.

Was die Gebrüder Siener als "Philosophie des guten Geschmacks" bezeichneten, wurde von den Wettsteins nicht mittels revolutionärem Umsturz, sondern auf behutsame Weise weiterentwickelt. Moderner Schnickschnack wie Schönung, Säureregulierung oder Aromaenzyme sind ihnen ein Gräuel. Gebündelt in einem Satz, der auch jedem französischen Winzer die Freudentränen in die Augen treiben würde, heißt das: "Der Wein muss den Charakter seiner Herkunft verkörpern, er muss von Buntsandstein, von verwittertem Schiefer und Porphyren, von Rotliegendem oder von Muschelkalk erzählen und er muss ein Spiegelbild des lokalen Mikroklimas darstellen." Das ist Terroir-Philosophie reinsten Wassers.

Ein besonderes Händchen hat Martin Wettstein dabei für die sogenannten "Bukett- Reben" – das sind Traubensorten, die im Idealfall mit einer überwältigenden Aromatik brillieren und für ganz tolle, geschmacklich höchst eigenständige Weine sorgen – wie zum Beispiel Muskateller. Insbesondere die sandigen Lehmböden der Lage Birkweiler Königsberg sind durch ihren hohen Kalkanteil dafür prädestiniert, den harmonischen Brückenschlag zwischen toller Aromatik, Frische, Eleganz und Brillanz zu gewährleisten. Und kaum jemand versteht es virtuoser als Martin Wettstein, dieses einzigartige Potenzial der Südpfälzer Spitzenlagen in unmittelbarer Nähe zum Elsass auch zu nutzen. Der junge Mann hat es bewiesen: Er kann es!

Wendelin Niedlich

(WEIN NEWS Juni 2012)