Die Stille im Valle de Uco

Atamisque

In einem abgeschiedenen Hochtal erzeugt Rotweine von Weltgeltung.

Wenn man meint, endlich da zu sein, sind es noch-mal 20 Kilometer bis ganz ans Ende des Tals. Danach folgen mit Atamisque-Büschen bestandene Wildnis und der Vulkan Tupungato.

Bis vor Kurzem verirrten sich hierhin nur die Einkäufer von Rindchen. Schon paradox: Als Anfang des Jahrtausends der argentinische Weinbau im 500 Meter tiefer gelegenen ’hot climate’ von Mendoza einen flüssigen Goldrausch erlebte, rodeten im Valle de Uco die Weinbauern ihre Rebstöcke. Es war diese Zeit, als alles überdimensioniert war: große Autos, dicke Hose, fette Weine. Im Glas zählte einzig maximal dosiertes Eichenholz. Warum also hoch ins abgelegene Valle de Uco auf 1300 Meter gehen? Philippe Caraguel hat auf diese rhetorische Frage eine sehr klare Antwort: "Gemäßigtes Klima, steinige Schwemmlandböden, eine lange Vegetationsperiode – all das gibt unseren Weinen eine finessenreiche Stilistik."

Als Sohn eines Franzosen hat Caraguel in Mont-pellier Weinbau studiert. Diese Wurzeln verbinden ihn mit der Inhaberfamilie du Monceau, die das Gut vor zwanzig Jahren gründete. "Atamisque konnte sich noch rare Weinberge mit bis zu 90 Jahre alten Rebstöcken sichern", berichtet der Önologe. "Dennoch war ich anfangs sehr skeptisch, ob Weinliebhaber solch komplexe Gewächse aus Argentinien akzeptieren."

Bei Rindchen jedenfalls waren wir überglücklich, Ihnen diese Mischung aus Tango Nuevo und Bordeaux als Geheimtipp präsentieren zu können. Mit dem Geheimen ist es allerdings vorbei. Nahezu die gesamte Kritikerelite hat Atamisque mittlerweile für sich entdeckt. Aber einen Tim Atkin oder James Suckling als Geschwister im Geiste zu wissen, hat ja durchaus etwas Erhebendes, wenn Sie die grandiosen Rotweine aus dem stillen Tal in Stiller Nacht genießen.

Gotthard Scholz
WEIN-NEWS Dezember 2020