Atamisque: Tango unter Cowboys

Argentinische Weine standen lange Zeit für ihren wuchtigen Gaucho-Stil. Doch in den luftigen Höhen des Valle de Uco in Mendoza entstehen Gewächse mit der Grazie eines Tangos.

Ball Paradox. Als Ende der Neunziger Jahre der argentinische Wein-Boom seinen ersten Höhepunkt erlebte und ganz Mendoza sich im flüssigen Goldrausch befand, rodeten im Valle de Uco die Weingüter reihenweise ihre Rebstöcke. Wie konnte das angehen? Es war diese Zeit, als alles überdimensioniert war: große Autos, große Klappe, dicke Hose, fette Weine. Im Glas zählten einzig die Üppigkeit gekochter Früchte und Eichenholznoten in höchster Dosierung. Solche prallen Gaucho-Weine konnte man drunten in Mendoza locker und kostengünstig erzeugen. Warum also hoch ins abgelegene Valle de Uco auf 1300m gehen? Philippe Caraguel hat auf diese rhetorische Frage eine sehr klare Antwort: "Gemäßigtes Klima, lange Vegetationsperiode, hohe physiologische Reife der Trauben – all das macht unsere Weine hier oben finessenreich und komplex. Sie haben einfach diese kühlere Stilistik."

Philippe Caraguel ist Chefönologe der Bodega Atamisque, eines jener Handvoll Weingüter, die im Valle de Uco eine Wein-Renaissance einläuteten. Der Sohn eines Franzosen hat im südfranzösischen Montpellier Weinbau studiert. Diese Wurzeln und die Liebe zum verbinden ihn mit der Inhaberfamilie Du Monceau, die Atamisque Anfang des Jahrtausends gründete. John du Monceau leitete über lange Jahre einen Tourismuskonzern. Dann wollte er es noch einmal wissen und ganz von vorn anfangen – mit Weinen, die seiner französischen Genießerseele schmeicheln. Mit dem Valle de Uco fand er einen echten Schatz und in Philippe Caraguel den Mann, der diesen zu heben vermag. "Atamisque konnte sich noch rare Weinberge mit bis zu 80 Jahre alten Rebstöcken sichern", freut sich Philippe Caraguel. Heute wird das Valle de Uco unter Experten als bestes Terroir Argentiniens gehandelt. Viele neue Weingüter folgten Atamisque ins Höhental. Die Preise hingegen bewegen sich noch auf erfreulich günstigem Geheimtippniveau.

Zu Beginn des Unternehmens plagten Philippe Caraguel Zweifel an den Marktchancen: "Ich war unsicher, ob Weinliebhaber solch elegante Weine wie unseren oder den akzeptieren." Die Angst können wir dem Mann nehmen. Dicke Hosen haben mittlerweile ebenso ausgedient wie der ungezügelte Barrique-Einsatz. Und die Art, wie Philippe Caraguel in seinen Weinen argentinischen Tango Nuevo und burgundische Noblesse vereint – das gehört zum absolut Besten, was die Weinwelt derzeit zu bieten hat.

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS Mai 2013)