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Wie lange hält sich Ihr Wein?

Was tun mit angebrochenen Weinflaschen? Wie lange hält sich ihr Inhalt? Wie und wo bewahre ich sie am besten auf? Diese Fragen stellen sich, wenn sich der Weinkonsum des Tages nicht wirklich mit dem Flascheninhalt synchronisieren ließ... Eine Faustregel besagt zwar: Nach zwei Tagen wird es kritisch mit der Haltbarkeit. Doch stimmt das wirklich immer? Etliche Weine verlieren tatsächlich innerhalb von 48 Stunden deutlich an Frische und Finesse. Andere dagegen machen auch nach drei, vier Tagen noch einen vitalen Eindruck. Eine umfassende Gebrauchsanleitung zur Überlebenschance sämtlicher Weintypen und Qualitätsstufen wäre eine feine Sache – theoretisch. Die Praxis aber zeigt: Weil zu viele (Unsicherheits)faktoren im Spiel sind, ist auf eigene Erfahrungen noch immer am besten Verlass.

Was Sie bei angebrochenen Flaschen beachten sollten:

Es sind drei Hauptfaktoren, die die Haltbarkeit eines angebrochenen Weins in der Flasche beeinflussen: die Zeit, die Restmenge und der Weintypus. Je weniger Wein in der Flasche zurückbleibt, desto mehr Sauerstoff kann sich dort breitmachen. Sauerstoff ist in diesem Fall nicht lebenserhaltend, sondern bewirkt das genaue Gegenteil: Der Wein oxidiert, verliert seine Aromen und seine Frische, schmeckt säuerlich und plump. Wenn man sich also nur ein, zwei Gläschen genehmigt hat, verlängert das die Lebenserwartung. Verlor der edle Tropfen aber zwei Drittel oder mehr seiner Ursprungsmenge, macht er früher schlapp.

Beim Weintypus ist es genau umgekehrt wie im wirklichen Leben

Die leichten, schlanken Typen haben eine geringere Lebenserwartung als ihre fülligen, schwergewichtigen Pendants. Woran das liegt? Es scheint, dass der Extraktgehalt eine entscheidende Rolle spielt, also der Anteil an u. a. Glycerin, Zucker, bestimmten Säuren und Mineralstoffen, der Alkoholgrad und die Gerbstoffe. Weine mit entsprechend hohen Werten dürften sich nach dem Öffnen also länger aufbewahren lassen. Was allerdings kein Dogma ist: Es kommt nämlich zusätzlich auf die Rebsorte an. Ein kräftiger, fülliger alkoholreicher Weißer wird in der Regel länger durchhalten als ein graziles weißes Tröpfchen mit wenig Säure, niedrigem Alkoholgehalt und geringem Restzucker (und keinen Tanninen). Das gleiche Prinzip gilt für die rote Fraktion: Antipoden könnten zum Beispiel ein praktisch tanninfreier und prinzipiell säurearmer einfacher Beaujolais und ein kerniger, vor Gerbstoffen nur so strotzender Malbec sein.

Lässt sich der Alterungsprozess bremsen?

Verhindern lässt sich der Alterungsprozess in geöffneten Flaschen nicht, verzögern schon (wenn auch nur bedingt): Angebrochene Flaschen sollten gut verschlossen (gepriesen sei der Schraubverschluss, sonst den Korken umgekehrt reindrücken) und in den Kühlschrank gestellt werden. Das unterbindet den weiteren Luftaustausch und verhindert auch, dass weinfremder Küchendunst etwa vom Zwiebelschneiden den Aromen den Garaus macht.

Warum der Kühlschrank?

Weil Kälte die Oxidation verzögert. Das gilt für Weiß- und Rotweine (für Rosé selbstredend auch). Vor dem erneuten Servieren können die Roten wieder Temperatur aufnehmen.

Hilft künstlicher Luftentzug?

Natürlich haben findige Tüftler längst diverse Oxidationsverhinderungsmethoden entwickelt, zum Beispiel spezielle Vakuumpumpen, die nach dem umgekehrten Luftpumpenprinzip arbeiten. Zwar bekritteln in diesem Kontext immer wieder Skeptiker vermeintliche Kollateralschäden der Aromatik durch rigorosen Luftentzug. Zudem bliebe noch immer eine Restmenge Sauerstoff in der Flasche zurück. Versierte Praktiker aber, die solche Geräte seit längerem in Gebrauch haben, melden glaubhaft zuverlässiges Funktionieren bei unterschiedlichsten (auch empfindlichen) Weintypen. In Champagner-, Sekt- und sonstigen Schaumweinflaschen macht übrigens auch nach dem Öffnen die Kohlensäure mächtig Druck. Hier sind besondere Verschlüsse vonnöten, sonst hat es sich bald nicht nur ausgeprickelt, und der Geschmack wird schal: Die Bläschen entführen nämlich auch Aromamoleküle mit nach oben. Der Legende vom Silberlöffel dagegen, dessen Stiel angebrochenem Champagner Frische und Kohlensäure bewahre, weil Silber die Wärme aus der Flasche leite, ist durch diverse wissenschaftliche Experimente längst widerlegt: Schon nach wenigen Stunden schmeckte der unverschlossene Schampus aus der Flasche mit Löffel genau so schal wie der aus der löffelfreien Buddel.