Muratie: Die Ballade von Lourens und Ansela

Schon in der Gründungsgeschichte des Weinguts Muratie ging es um Liebe und Leidenschaft. Beide sind heute in den von Winzer Rijk Melck von geradezu körperlicher Präsenz.

Manche Geschichten sind so schön, dass man sie immer wieder erzählen kann. Die von Ansela und Lourens gehört dazu. Der deutschstämmige Lourens verliebt sich in die schöne Sklavin Ansela. Er bekommt 1685 vom Gouverneur ein Stück Land in – doch Ansela wird es verwehrt, mit ihm zu ziehen. Vierzehn lange Jahre macht sich Lourens auf den dreitägigen Fußmarsch nach Kapstadt, um seine große Liebe im Sklaven-Ghetto zu treffen. Dann endlich hat er das Geld zusammen, um Ansela und ihre drei gemeinsamen Kinder freizukaufen. Das ist die Gründungsgeschichte des Weinguts Muratie.

Wenn heute Rijk Melck den Flagship-Wein von Muratie nach der farbigen Ansela benennt, hat das natürlich Symbolwert in . Auch für den Weinbau. Das Ende von Apartheid und Isolation vor fast 20 Jahren war gleichzeitig das Ende einer überregulierten, staatlich gelenkten, lediglich auf Menge ausgerichteten Weinwirtschaft. Ganz in der Tradition von Lourens war Rijk Melck einer der Ersten, der die neue Freiheit nutzte und den südafrikanischen Weinfrühling einleitete. Mit ganzer Leidenschaft entwickelte er auf Muratie ein eigenes Profil, in dem er konsequent auf Qualität und Terroir setzte. Veränderungen im Weinbau brauchen einen langen Atem. Viele der damaligen Richtungsentscheidungen – neue Weinberge, neue Rebsorten – zeigen erst heute ihre volle Wirkung.

"Eine draufgängerische Frucht und Würze hatten unsere Weine von Anfang an", sagt Rijk Melck. "Doch heute kommt die mineralische Tiefe der besten Lagen in Stellenbosch hinzu." Seit Rindchen’s Weinkontor Muratie im Programm führt, sind wir Jahr für Jahr aufs Neue erstaunt über dieses nicht für möglich gehaltene Mehr an Substanz und Genuss. Gießen Sie sich also einen von Rijk Melcks Roten ein, zünden Sie eine Kerze an, lassen Sie den Sturmregen getrost gegen die Fenster prasseln und lauschen Sie der Ballade von Ansela und Lourens.

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS November 2013)