Die unglaublichen Weine von Celler de l'Encastell

Faszination Priorat

Heute möchte ich Sie auf eine Entdeckungsreise mitnehmen: In eine verwunschene Gegend hinter den sieben Bergen, wo unter extremsten Bedingungen unglaubliche Weine gedeihen. Die Rede ist von der verträumten, abgeschiedenen Felsenlandschaft des Priorat im katalonischen Hinterland. Hier hausten in den wenigen, verstreut liegenden Dörfern bis vor rund 25 Jahren bitterarme Weinbauern, die dem kargen Felsen unter größten Entbehrungen schwere, tiefrote, fast schwarze Weine abrangen. Diese wurden unter primitiven Bedingungen vinifiziert, so dass sie breit und oxydativ daherkamen und für wenig Geld hauptsächlich in den Dorfkneipen der Umgebung ausgeschenkt wurden. Für die Winzer eine tragische Geschichte: Denn die uralten Garnacha- und Carinyenatrauben, die sich auf den kargen Schiefer- und Quarzitböden in den Fels krallen, liefern bei extremem Arbeitsaufwand nur kleinste Weinmengen pro Hektar. Zum Leben zu wenig – und selbst zum Sterben kaum genug.

Dann entdeckte eine Gruppe von Weinwissenschaftlern von der Uni Barcelona das immense Potenzial, das in den alten Rebstöcken der Region schlummerte. Junge, gut ausgebildete Önologen siedelten sich an, bauten neue Keller und begannen, diese "Wein-Konzentrate" optimal zu vinifizieren – also das Potenzial von Böden und Reben endlich mal auszuschöpfen. Zum Glück wurde der amerikanische "Wein-Papst" Robert W. Parker recht bald auf die wundersamen Gewächse aufmerksam, die da auf einmal aus einem der abgelegensten Winkel der Weinwelt kamen und bewertete etliche Priorat-Weine sehr hoch. Darauf schossen die Preise für die Weine in die Höhe, was nicht nur den jungen Weinmachern, sondern letztlich auch den alten Weinbauern zugute kam, die nun für ihre mühsam dem Fels abgerungenen Trauben wesentlich bessere Preise bekommen. Die nach unserem Dafürhalten besten – wenngleich bei weitem nicht die teuersten – Weine aus dem Priorat stammen von dem erst 1999 von den beiden "Weinverrückten" Carme Figuerola und Raimon Castellvi gegründeten Gut Celler de l´Encastell. Das Kapital des Gutes sind die herausragenden Lagen und die uralten Rebstöcke.


Gerd Rindchen

(WeinNews November 2011)