Viele Farben Grün
Weingut Quinta Santa Cruz
Portugals Vinho Verde entwickelt sich vom Weinstil zur facettenreichen Weinregion. Neue Reben, neue Wege, neue Aromen – auf ins sinnensatte Abenteuer.
Nördlich von Porto wird es grün. Die sanft wogende Hügellandschaft steht Cornwall deutlich näher als dem Mittelmeer. Und wenn uns hierzulande mal wieder ein atlantischer Tiefausläufer das Wetter vermiest, dann bekommen auch die nordportugiesischen Winzer ihren Teil ab. Seinen flirrenden Charme verdankt der Vinho Verde also nicht der Sonne – im Gegenteil: viel Sonne macht Weißweine bekanntlich dick und träge. Der "Grüne Wein" lebt von den raren Granit- und Schieferböden, der salzigen Luft und von den autochthonen Rebsorten mit den schönen Namen Loureiro, Trajadura oder Arinto. Und dann sind da natürlich noch die Winzer.
Der Mann, der uns die Schatzkiste "Vinho Verde" erstmals öffnete, war der kürzlich unerwartet verstorbene Mario Marques von der Quinta Santa Cruz. Er wird für uns der doppelte Glücksbringer bleiben. Zum einen, weil er einst das Spannbettlaken erfand und uns beim Bettenmachen wertvolle Minuten schenkte. Zum anderen, weil wir die so gewonnene Zeit mit seinem brillanten Wein auf der Terrasse verbringen dürfen. Unser langjähriger Freund Mario war nach seiner Zeit als Textilfabrikant einer der ersten, der Vinho Verde mit modernen önologischen Methoden erzeugte. "Eigentlich wollte ich nur den Wein machen, von dem unsere Väter träumten", beschrieb er noch auf der ProWein seine Motivation. Das Ergebnis hat selbst kühne Träumer überrascht. Mario Marques ist tief in das Potenzial der nordportugiesischen Rebsorten und ihres Terroirs eingetaucht. Bei allem Qualitätsstreben zog er allerdings eine klare Grenze: Bei 10% Alkohol hörte für ihn Vinho Verde auf! Im letzten Jahrgang nahm er erstmals die Edelrebe Alvarinho in die Cuvée auf – und verabschiedet sich so standesgemäß von uns mit seinem besten "Encosta da Maia".
Das Thema Alkoholgehalt sieht Dom Diogo Teixeira Coelho von der Quinta da Raza anders: "Nicht weil ich es so will. Die Trauben wollen es. Und sie können es auch!" Die neue Generation von Winzern, zu deren führenden Köpfen Dom Diogo zählt, verschieben das Geschmacksbild von grün zu gelb: Höherer Reifegrad der Trauben, mehr Körper, opulentere Aromen. Bereits der Falco da Raza, quasi der Guts-Verde, präsentiert sich als explosiver Fruchtcocktail, der mit einer ordentlichen Dosis Gärkohlensäure über den Gaumen rauscht. Mit seinem Arinto, einem Stillwein, verlässt Dom Diogo vollends das traditionelle Geschmacksbild. "Die Eleganz, die floralen Noten, das vom Schiefer geprägte mineralische Spiel – diese Klasse der Rebsorte Arinto kann sich in der hergebrachten Rolle 'leicht und moussierend' nicht entfalten", sagt Dom Diogo.
Es gibt also nicht mehr nur ein Grün in der Region Vinho Verde. Schwer zu kommunizieren, sagt das Marketing. Absolut spannend, sagen Weinverliebte. Und die haben immer das letzte Wort.
Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Mai 2015)