Le Grand Classique

Es geht doch nichts über Klassiker. Halt, doch! Klassiker ohne Prestige-Zuschlag. Dafür mit Wow-Effekt. Aus dem wohl renommiertesten Anbaugebiet der Welt.

Nur Bordeaux ist Bordeaux. Er hat über die Jahre reichlich Konkurrenz bekommen. Supertoskaner wollten ihm den Ruf streitig machen. Kalifornier versuchten ihn gar auf heimischem Terrrain zu ärgern. Sei’s drum. Er hat alle Trends überstanden, manches mitgemacht und ist sich doch selbst treu geblieben.

Die Prominenz kommt aus der AOC Saint Emilion Grand Cru und trägt das Große Gewächs passenderweise schon selbstbewusst im Namen. Dementsprechend viel verheißt dann auch der Wein. Der rote Melin der Familie Debacque hat – wie das Château auch – wenig mit Prunk und Protz am Hut und punktet dafür mit einem geradlinigen Charakter, großartiger Balance und Eleganz.

Für Prestige steht auch Pomerol. Will sagen: saftige Preise. Doch die kecke kleine Schwester Lalande de Pomerol begeistert uns selbst in dieser Hinsicht. Sensorisch ist der Château des Baraillots sowieso über jeden Zweifel erhaben. Erstaunlich, welche Dichte, Frische und Komplexität Jean-François Dehaut hier vermählt. Lagerpotenzial gibt es gratis dazu.

Eine recht neue Erfolgsgeschichte schreibt das wiederentdeckte Médoc mit seinem Cru Bourgeois. Diese "Bürgerlichen" durchlaufen seit kurzem eine strenge Prüfung des unabhängigen Bureau Veritas. Und heben sich somit wohltuend von anderen AOC ab, deren Klassifizierungen teils uralt sind. Veritable Geheimtipps gibt es hier ergo zuhauf. Jean Marc Martin macht auf dem schnuckeligen Familienweingut traditionellen Bordeaux der alten Schule; manch berühmter Nachbar aus Saint Estephe blickt neidisch herüber.

Genießen Sie unseren vinophilen Rundgang durch die Regionen um die Gironde. Große Klassik garantiert – und noch immer gut für spannende Entdeckungen.


 — Roman Bergold

 (WEIN NEWS November 2021)