
Die Rhône: Südlicher Trinkfluss
Domaine Boisson, Stehelin, Demazet, Saint Hilaire d'Ozilhan
Die Weine der Côtes-du-Rhône sind weder "hot" noch "cool". Als echte Südfranzosen passen sie in keine Schablone und bleiben sich auf trinkige Art selbst treu.
Früher begann Frankreich für mich hinter Lyon. Alles davor war – in der pauschalen Sicht eines jungen, von keinerlei Weltläufigkeit verdorbenen Norddeutschen – schlicht Bayern. Ab Lyon ändern sich nicht nur Landschaft und Architektur, man meint auch, das Mittelmeer fühlen zu können. Mediterrane Luft strömt durch das Rhônetal weit nach Norden und ignoriert die kalten Höhen der Alpen. Doch umgekehrt bringt die Rhône auch kühle Luft in den Süden. Diese gegenläufige klimatische Bewegung zeigt sich an den beiden dominierenden Edelreben. Mit der warmen Luft gelangte die opulentfruchtige Grenache von der Küste in den Norden. Umgekehrt wanderte die kühlpfeffrige Syrah aus ihrem nördlichen Stammgebiet die Flussufer abwärts. Die Cuvées der Côtes-du -Rhône sind im besten Sinne Middle-Climate-Weine, die gegen die Versuchungen des südlich Marmeladigen ebenso gewappnet sind wie gegen das nördlich Zickige. Saftigreife Fruchtaromen paaren sich an der Rhône mit einer feinen Säureader zu eher mittelgewichtigen Weinen mit wunderbar südlichem Trinkfluss.
Im untersten Zipfel der Côtes-du-Rhône leisten die Winzer von Saint Hilaire d’Ozilhan großartige Arbeit. Sie stehen für unange strengte, fruchtbetonte Rotweine, deren Kräu ternoten auf Frankreichs Süden verweisen. Das Weingut von Bruno Boisson liegt etwas weiter nördlich in Cairanne. Der Weinort hat seit neuestem den begehrten CruStatus mit eigener Appellation und schließt damit zu Gemeinden wie Châteauneuf-du-Pape oder Gigondas auf. Ausgebildet wurde Bruno Boisson in Burgund und Australien, verfügt also stilistisch über die maximale Bandbreite. Die kalkhaltigen Böden ermöglichen ihm einerseits Weine mit feiner, roter Beerenfrucht und mineralischem Zuschnitt wie dem "Vieilles Vignes". Beim Cairanne AOP "Trois Terroirs" hingegen zielt Boisson auf geballte Kraft. Dass es ihm dabei gelingt, einen samtigen Anflug von Barossa Valley ins Glas zu zaubern, zeugt von der überragenden Traubenqualität in den besten Lagen des Weinguts.
Vom Hochbegabten zum Genie – diese Formulierung wäre selbst bei Bertrand Stehelin übertrieben. Aber die Richtung stimmt. Als blutjunger Mann bekam er von seinen Eltern einen eigenen Weinberg. Seither legt er jährlich eine Qualitätsschippe drauf. Konsequent verschusselt der Winzer-und-nichts-als-Winzer jeden Kontakt zu Weinführern, Journalisten oder Jurys und hat seine karge Website das letzte Mal vor fünf Jahren aktualisiert. Doch gönnen wir es Bertrand Stehelin von Herzen, medial unsichtbar zu bleiben, solange er uns weiter seinen Sablet Villages schenkt. Eleganter, saftiger, finessenreicher vermag es kaum ein Wein, Ihre Sinne zum Taumeln zu bringen. Mittlerweile weiß ich Frankreich auch schon vor Lyon zu schätzen. Doch die Ufer der Rhône bleiben ein Sehnsuchtsort. Um Sie von den Weinen zu begeistern, schrecken wir daher vor nichts zurück. Nicht mal vor Rabatten!
Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Mai 2018)