Verschiedene Weinsorten in edlen Gläsern präsentiert

Die vier Herausforderer. Spanien kann auch anders!

Spanien kann mehr als nur Tempranillo

Alles Tempranillo? ¡No, señoras y señores! Die traditionsreiche Weinnation besitzt ein facettenreiches Portfolio an roten Rebsorten, die Sie Ihrem Gaumen unbedingt vorstellen sollten.

Spanischer Rotwein bietet den wohl bequemsten Weg zum Genießerglück: Einfach ins Regal greifen und es schmeckt. Mal gut, mal großartig – aber immer verlässlich anschmiegsam. Rebsorte? Egal, denn die heißt ja in jedem Fall . Wer diesen geradezu paradiesischen Zustand für sich erhalten möchte, sollte jetzt aufhören zu lesen. Denn es naht die Schlange mit dem Apfel.

Bei der Dominanz der Tempranillo auf dem deutschen Markt können andere spanische Reben schon fast als gallische Dörfer gelten. Gerade deshalb lohnt es sich, sie bei Lagerfeuer und Wildschwein zu entdecken. Beginnen wir ganz behutsam mit der sanftmütigen , passt ihr Geschmacksbild doch voll in die spanische Wohlfühlzone: Wunderbar weich, mollig und mit einer reifen Frucht ausgestattet. Der Garnacha "Barón de Breg" von den Bodegas Milenium bringt diese Eigenschaften voll auf den Punkt. Für die zweite Rebe reisen wir ins atlantisch geprägte . Das liegt ganz oben links in Spanien – also quasi da wo auch das gallische Dorf liegt – und ist die Heimat der autochthonen roten Rebsorte Mencía. "Den Vergleich mit den großen portugiesischen Roten aus dem Dão kann ich nicht mehr hören", ärgert sich Manuel Blanco Núñez, Besitzer der Quinta das Tapias. "Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Mencía war zuerst da!" Da hat er einerseits recht, denn viele der Edelreben stammen von der Spanierin ab. Andererseits liegt die Mencía mit ihrer coolen Eleganz und der mineralischen Art "gefühlt" außerhalb der gewohnt warmen spanischen Geschmacksgrenzen.

Wärme, wenn nicht gar Feuer, verspricht die Mantonegro – kommt sie doch von der Insel . Ketzer mögen daher behaupten, sie wäre eigentlich deutsch. Doch am derzeitigen Siegeszug der Rebe haben die Deutschen null Anteil. Weder unsere Sangria-Fraktion noch unsere auf ihren Luxus-Bodegas anbauenden Großindustriellen schenken der Mantonegro viel Beachtung. So blieb es Mallorquiner Traditionskellereien wie Santa Catarina mit ihrem "Horas de Sol" vorbehalten, den einstigen Rote-Liste-Kandidaten Mantonegro fest in der spanischen Spitze zu etablieren. Einen noch längeren Weg legte José Maria Vicente Sánchez mit der Rebe Monastrell zurück. Seit einem Vierteljahrhundert widmet sich der Autodidakt der unterschätzten Monastrell. Er hat als erster realisiert, wie perfekt die Rebe an das heiße, trockene Klima im südspanischen angepasst ist, und wie es ihr gelingt trotz extremer Trockenheit Frucht und Säurespiel zu erhalten. Mit anderen Worten, Vicente Sánchez lernte die Wüste zu zähmen – und viele Jüngere streben ihm mittlerweile nach. Sein Atiza ist vielleicht der vollendeteste reinsortige Monastrell Spaniens. "Der Atiza verkörpert für mich mediterranes Leben", sagt der Vollblutwinzer. "Er verfügt über Kraft und Fülle, zeigt sich aber gleichzeitig sehr subtil und mit einer ansteckenden Lebendigkeit."
 
Fazit: Es ist nicht alles Tempranillo, was einem spanisch vorkommt. Und das Leben kann auch außerhalb des Paradieses verdammt gut sein.

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS September 2014)