Drei Schatten von Grau

Weingut Wernersbach, Weingut Schlossmühlenhof, Weingut Hauck

Der ist der Deutschen liebste Traube. Warum? Heinz-Günter Hauck, Nicolas Michel und Stephan Wernersbach geben eindrucksvoll Antwort.

Zugegeben, der Titel ist mehr was für Frauen. Für die Männer hätten wir "Transformers" wählen müssen. In jedem Fall zeigt der Grauburgunder eine sehr vielgestaltige Persönlichkeit. Das beginnt schon damit, dass er, von den meisten unbemerkt, seit Jahrzehnten unser aller Lieblingstraube ist. Einst als Pinot Gris im Edelzwicker (was waren wir jung!), dann als Pinot Grigio (was waren wir bescheiden!), heute als deutscher Grauer Burgunder (was sind wir doch verwöhnt!).

Das Vielgestaltige steckt der Burgunder-Rebe schon in den Genen. Ob roter oder blauer , oder eben der gräulich-rosafarbene Grauburgunder – sie alle haben eine identische DNA. Und so changieren die Trauben im Weinberg fröhlich und spontan vor sich hin, werden mal heller, mal dunkler – wobei sich dieser Wechsel allerdings eher in Legislaturperioden misst. So gesehen ist also Grauburgunder keine eigenständige Rebsorte, sondern eine Konzessionsentscheidung. An die Farbe sind Geschmacksstoffe gebunden. Je dunkler, desto kräftiger wird der Wein. Auch können rötliche Trauben länger am Stock reifen, haben somit höhere Alkohol- und geringere Säuregrade. Beides zusammen führte dazu, dass der Grauburgunder in früheren Zeiten als ausgewachsene Wuchtbrumme galt.

Bis die kamen. Die machten aus ihrer klimatischen Not (nördliches Weingebiet, hoch gelegene Lagen) eine Tugend und verpasstem dem Moppel eine Schlankheitskur. Und siehe da: Wenn sich Könner wie Altmeister Heinz-Günter Hauck oder die unglaublich talentierten Jungspunde Nicolas Michel und Stephan Wernersbach auf exzellenten Kalkböden dem Grauburgunder annehmen, dann bekommt er Schliff, frische Frucht und wunderbaren Schmelz – ein Gaumenstern ward geboren.

Wandlungsfähigkeit zum Dritten: Selten haben wir das Märchen vom hässlichen Entlein so hautnah erlebt wie beim Jahrgang 2014. Bis vor wenigen Wochen haben wir jedem, dessen wir habhaft werden konnten, erzählt, dass dies kein Grauburgunderjahr sei. Und dann öffneten sich die Weine, taten das so rasant und so atemberaubend schön, dass wir als die Deppen da standen. Auf die Gefahr hin, 5 € in die Schwülstige-Metaphern-Kasse zahlen zu müssen: Zogen einst drei Graue Schwäne…

Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Dezember 2015)