Der GrößteTobias Lorenz: Zwei Meter gehen steil

Weingut Lorenz

Einer ragt an der Mosel heraus. Wo andere rumstehen, kniet sich Tobias Lorenz mit seinen 2,03 Metern rein und behält in steilsten Schieferlagen den Überblick. Seine Rieslinge zeigen Strahlkraft, ein filigranes Süße-Säurespiel und eine unverwechselbare Handschrift. Das Weingut Lorenz gehört mit seinen brillanten Weinen quasi zur DNA von Rindchen’s Weinkontor. Seit kurzem ist Tobias Lorenz dort am Ruder und hat das eigentlich Unmögliche geschafft: Die Qualitätsschraube nochmals anzuziehen.

Die vom Marketing halten sich ja für die Wichtigsten. Das ist bei Rindchen nicht anders. Nach ihrer Meinung setzen nur sie die Trends, bauen Winzer auf und werfen mit den wichtigen englischen Begriff en um sich. Und dann steht da unvermittelt ein Weingut im Verkaufs-Ranking ganz oben, das seit Jahren in keiner Werbung war. Einfach, weil unsere Kunden vom flirrenden "Maximiner" oder dem feinherben "Blauschiefer" begeistert sind, die ihnen von unseren weinverliebten Kontorteams empfohlen wurden. Und wir vom Marketing ? Haben da offensichtlich einen ganz Großen übersehen. Reumütig versprechen wir Besserung und widmen Tobias Lorenz unsere Titelgeschichte.


WEIN-NEWS: Tobias, bei deiner Größe: Wie geht es dem Rücken?

Tobias Lorenz: Sehr gut! Die Arbeit in der Steillage hat den Vorteil, dass man unterhalb der Rebstöcke steht. Lange Arme habe ich auch – also muss ich mich kaum bücken.

WEIN-NEWS: Was treibt Dich in Hänge, die normale Menschen als Abgründe bezeichnen würden?

Tobias Lorenz: Ich bin nicht so das Kellerkind. Da beschränke ich mich auf kontrolliertes Nichtstun. Die Steillage, das ist der Riesling! Blauschiefer, Grauschiefer, Quarzit – Riesling reagiert da sehr sensibel. Jedes Terroir bringt andere Aromen hervor. Für mich ist Riesling die komplexeste und filigranste Weißweinsorte überhaupt.

WEIN-NEWS: Wir beobachten, dass feinherbe Rieslinge im Kommen sind.

Tobias Lorenz: Sie waren an der Mosel immer aktuell. Wir liegen ja recht nördlich und die Weine haben dank der Säurestruktur immer eine große Strahlkraft. Viele "Trockentrinker" merken gar nicht, dass ein Moselriesling feinherb ist, im Gegenteil: sie finden das Spiel zwischen Süße und Säure angenehm. Das macht uns ja so einzigartig. Die Weine haben durch den Schiefer so viel mineralische Substanz, dass weder Süße noch Säure vordergründig wirken.

WEIN-NEWS: Was machst Du, wenn Du doch mal in den Keller musst?

Tobias Lorenz: Ich lasse alle Weine auf ihren eigenen Hefen spontan vergären. Für mich macht das die Aromatik vielschichtiger. Allerdings bedeutet das auch weniger Kontrolle. Mit Zuchthefen lässt sich besonders die Frucht besser beeinflussen. Bei der Spontangärung weiß man nie, welche Fruchtnoten dabei herauskommen. Nur eins ist sicher: dass sie satt und knackig werden.

WEIN-NEWS: Die "Alten Reben" sind im 1000-Liter- Fuderfass ausgebaut. Ist das nicht überholt?

Tobias Lorenz: Für mich nicht. Als mein Vater sie rausgerissen hat, habe ich ein paar gerettet. Die sind 70 Jahre alt, da steckt Tradition drin. Für die Spontangärung hat sich das Fuder als ideal erwiesen. Ich hatte das Glück, noch ein paar zusätzliche Fässer vom letzten Moselküfer zu bekommen. Leider ist er verstorben.

WEIN-NEWS: Was macht das Fuder so besonders?

Tobias Lorenz: Der Wein hat über das Fass Sauerstoffkontakt. Die Aromen sind also nicht so abgeriegelt wie im Stahltank, der Wein schmeckt daher offener und kommt früher auf den Punkt.

WEIN-NEWS: Tobias, vielen Dank. Einer Deiner berühmten Kollegen würde sagen: Darauf ein lecker Möselchen!

Interview: Gotthard Scholz
WEIN-NEWS September 2020