Das Märchen vom hässlichen Reblein.

Die Obermosel ist das Refugium der raren weißen Rebsorten Elbling und

Auxerrois. Winzer Horst Frieden lässt diese vergessenen Weine in nie

vermutetem Glanz erstrahlen.

Andere hätten mit ihrem Schicksal gehadert. Beginnen doch nur wenige Kilometer flussabwärts die Schiefersteilhänge der mit ihren weltberühmten Weinbergen. Doch Gram sucht man vergebens im Gesicht von Winzer Horst Frieden. Der hat den Weinort Nittel und die Obermosel quasi im Alleingang zu einer Größe in der Weinwelt gemacht. Hinter Trier, Richtung Luxemburg, weitet sich die Mosellandschaft zu einem breiten, von Kalkfelsen gesäumten Tal. Vor Urzeiten erstreckte sich hier ein Meer, dessen Grund mit Muscheln bevölkert war – das Pariser Becken. "Unsere Muschel-kalkböden gehören zur selben geologischen Formation wie die oder das Chablis", zeigt sich Horst Frieden begeistert. "Da gibt es überhaupt keinen Grund, unsere Weinberge klein zu reden."

Die angestammte Rebe an der Obermosel ist der , der seinen Namen vom lateinischen albus – weiß – ableitet. Der Elbling galt lange als anspruchsloses und ertragreiches Arbeitstier unter den Reben. "Als ich 1993 das elterliche Weingut übernahm, war der Elbling ein hässliches Entlein, gerade mal gut für die Sektindustrie", erzählt Horst Frieden. "Aber ich habe fest an den Schwan geglaubt." Dafür lässt Horst Frieden die Trauben bis zum letzten Moment, bis kurz vor Beginn der Herbststürme reifen. Das Ergebnis: Sein Elbling zeigt sich so sensationell prall gefüllt mit Frucht, wie es bis dato niemand für möglich gehalten hat. Seinen stärksten Auftritt hat der Elbling im Crémant. Dieser Winzersekt, erzeugt auf dem Weingut in traditioneller Flaschen-gärung, ist eine Offenbarung an Finesse und Sinnlichkeit. Nun hat Horst Frieden ein zupackendes Naturell, das sich schnell langweilt ohne neue Heraus-forderung. Da kam ihm der gerade recht. "Rare Vögel kommen selten allein", flappst der Winzer. "Der Elbling stammt nicht von der Elbe und der Auxerrois ist in Auxerre völlig unbekannt. Das passt!" Auxerrois gehört zur Burgunderfamilie und gilt als der elegante Bruder des . Die Muschelkalkböden um Nittel, die den besten Terroirs des Burgunds ähneln, bieten perfekte Bedingungen für die anspruchsvolle Rebe. Geschmacklich bildet Auxerrois den Gegenpart zum Elbling: unglaublich elegant, mild und wunderbar cremig.

Mit Elbling, Auxerrois und Horst Frieden haben sich drei Obermosel Originale zusammengetan, die mit Esprit, Charme und Energie für neue Sensationen auf sommerlichen Terrassen sorgen.

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS August 2013)