Die Weine des Marquis

Weingut Reichsgraf und Marquis zu Hoensbroech

Im nordbadischen Kraichgau widmet sich ein echter Marquis vergessenen Weinen wie dem Blauen Limberger oder dem Gemischten Satz.

"Wenn man denn unbedingt Ehrfurcht erweisen möchte, dann bitte unseren Weinen – dahinter stehe ich gerne zurück", sagt Rüdiger Reichsgraf und Marquis zu Hoensbroech. Nun könnte man sehr wohl in der Tradition dieses Adelsgeschlechts schwelgen, das seit dem Jahr 1388 immer auch Weinberge im Besitz hielt. Die bürgerliche Wahrheit allerdings ist, dass Graf Rüdiger im Jahr 1969 mit bescheidenen vier Hektar Rebstöcken in Baden einen Neubeginn startete und den Hof dann auf überschaubare 15 Hektar erweiterte. Wahrhaft gräflich hingegen ist das Terroir, das mit dem Michelfelder Himmelberg eine Große-Gewächs-Lage in Alleinbesitz aufweist.

Als junger Önologe arbeitete Graf zu Hoensbroech im spanischen . Dort lernte er den Satz, der sein Schaffen prägt: Weine sind zuallererst Speisenbegleiter. "Ich mag keine Weine, die sich grell in den Vordergrund drängen, sei es durch Süße, Säure oder Barriquenoten", bekennt der Graf. "Mich begeistert da mehr die Eleganz und die dem Essen dienende Noblesse eines ." Es ist der Zauber der leisen Töne, der die des Marquis auszeichnet. Neben den Burgundern widmet sich der Gründer des Badischen VdP (Verband deutscher Prädikatswinzer) dem Blauen Limberger, der andernorts Blaufränkisch oder heißt. Die Rebsorte verlangt Fürsorge und reift erst sehr spät aus, doch in guten Jahren ist sie dem ebenbürtig. "Ein Limberger ist vom Mundgefühl etwas wärmer temperiert und die Frucht ist dunkler als beim Spätburgunder – aber in puncto Finesse sind sie verwandt", zeigt sich der Graf überzeugt, vorausgesetzt der Wein reift in alten, sogenannten "Halbstück"-Fässern mit 600 Liter Fassungsvermögen.

Eine Kuriosität ist der Gemischte Satz, mit dem die junge Kellermeisterin Evi Pampukidou – die neue innovative Seele des Guts – eine alte Tradition frisch aufbereitet.

In früheren Zeiten waren Weinberge mit einem bunten Rebsortenmix bestockt, der gemeinsam geerntet und vinifiziert wurde. Den richtigen Gemischten Satz zu finden, zeichnete den guten Winzer aus. Nun verfügt das Gut zu Hoensbroech über einen "Experimentierberg", wo sich im Laufe der Jahre verschiedenste weiße und rote Reb-

sorten angesammelt haben. Aus diesem wilden Mix zaubert Evi Pampukidou einen zwiebelschaligen Wein, der am Gaumen ein wahres Feuerwerk zündet. Ein sehr hintergründiges und distinguiertes Feuerwerk, versteht sich. Noblesse oblige.

Gotthard Scholz
(WEIN NEWS August 2014)