Chilenischer Glamour

Casa Silva

Kein Maradona, kein Tango, keine Evita – lange Zeit lagen die Chilenen in puncto Glamour gegenüber ihren hassgeliebten argentinischen Nachbarn hoffnungslos im Hintertreffen. Doch dann kam die Carménère und öffnete den Weg zum Lichterglanz der internationalen Sterneküche.

Bei der Entdeckung der Rebsorte war diesmal wohl tatsächlich die Hand Gottes im Spiel. Erst um die Jahrtausendwende fanden Önologen der Universität Montpellier durch Zufall heraus, dass es sich bei dem vorgeblich chilenischen Merlot um eine Traube handelt, die in Europa seit einem Jahrhundert nahezu verschwunden ist: Carménère. Damit ließ sich endlich die faszinierend-würzige Aromatik chilenischer Rotweine erklären und gleichzeitig erhielt das Land ein schillerndes Alleinstellungsmerkmal in der Weinwelt.

Nun schlug die Stunde von Mario Pablo Silva. Der löst auf dem roten Teppich in Dufflecoat und Baskenmütze zwar kein Blitzlichtgewitter aus. Aber das muss er als Mastermind von Chiles "Most Awarded Winery of the XXI Century"* auch nicht. Den Beginn des Aufstiegs von Casa Silva markierte ein damals von vielen belächeltes Forschungsprogramm.

Mario Pablo Silva ließ nahezu das gesamte Valle de Colchagua nach den besten Standorten durchforsten und gleichzeitig die vorhandenen Unterarten der jeweiligen Rebsorten qualitativ erfassen. Danach matchte er die besten Rebstöcke mit dem perfekten Terroir. Für die Spitzengewächse geht sein Team dahin, wo es wehtut. Die Reben für die Carménère Reserva und das Aushängeschild Quinta Generación pflanzte Casa Silva in den hochgelegenen Hanglagen Los Lingues am Fuß der Anden. Der Syrah hingegen wurden die küstennahen, kargen und heißen Lagen von Lolol im unteren Teil des Tales verordnet.

Das Ergebnis sind allesamt kleine Wunder. Zwar wird hier nicht Wasser zu Wein verwandelt. Dafür aber schweißtreibende Arbeit zu Glamour im Glas.

— Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Februar 2021)

*Diese Auszeichnung errechnete und vergab die Fachzeitschrift VITIS