Der verlorene Schatz

Das spanische Toro ist seiner Zeit voraus, weil es lange hinterherhinkte. Eine wiederentdeckte Tempranillo-Spielart begeistert die Weinwelt.

Rebsorten wie Tempranillo stellen wir uns gerne als etwas Beständiges vor. Doch dem ist nicht so. Wissenschaftliche Institute sind permanent dabei, die Trauben weiterzuentwickeln. Über 150 Jahre gab es dabei im Wesentlichen eine Richtung: mehr Ertrag. Das ging auf lange Sicht zu Lasten der Aromen. Erst seit Kurzem setzt hier im Qualitätsweinbau ein Umdenken ein. Alte, geschmacksintensive Spielarten werden wieder händeringend gesucht. Ein Glücksfall ist in dieser Hinsicht die spanische Region Toro an der Grenze zu Portugal. Um die Jahrtausendwende stellte sich heraus, dass es sich bei der dortigen Tinta de Toro um einen noch ursprünglichen Tempranillo handelt – dichter, beeriger, würziger als heutige Varianten. Über Nacht standen in dieser abgeschiedenen Region mehrere tausend Hektar Weinberge im Fokus, deren Trauben kurz zuvor noch in billige Portwein-Alternativen flossen. Renommierte Erzeuger von außerhalb investierten und Toro ging steil. Heute gelten die Rotweine der Region denen der Rioja und der Ribera del Duero als qualitativ mindestens ebenbürtig.

Eines der wenigen Weingüter, das schon vor 2000 fest in der Region verwurzelt war, sind die Bodegas Casas. Bereits ihr "Camparrón" Selección ist ein Meilenstein für die alte Tempranillo-Spielart. Dies gilt umso mehr für die Crianza und die Reserva, stammen sie doch von bis zu hundertjährigen Weinstöcken. Viele der Reben stehen noch in der niedrigen, mühsam zu bearbeitenden Buschform. Mit hohem Risiko hat Eduardo Casas massiv in Technik und Barrique-Keller investiert. Intensive Weinbergarbeit wie eine manuelle nächtliche Lese rundet das Qualitätsprofil ab. Doch an einer Stelle verweigern sich die Casas dem Sprung in die neue Ära. Ihre Preise verharren standhaft in den geruhsamen Zeiten vor dem Boom. Wer will es Ihnen verdenken?

— Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Mai 2022)