Das Rad neu Erfunden

Spanien ist ein großartiges Rotweinland. Klar, aber nicht nur. Mit der DO Rueda ist eine ganze Region auf Weißwein von Weltformat ausgerichtet.

Wenn man zwischen den Rotweingiganten Ribera del Duero und Toro liegt, muss man sich etwas Besonderes ausdenken, damit man auf den Weinkarten der Welt nicht unter "Nordspanien – Rest" sein Dasein fristet. "Wie wär’s mal mit Weiß?" scheint da ein naheliegender Ansatz zu sein.

Doch ihren kometenhaften Aufstieg verdankt die Region Rueda einer glücklichen Fügung. Einige Riojanos waren in den 1970ern nachhaltig unglücklich mit den lokalen Gegebenheiten für Weißwein. Man suchte also geeignete Rebflächen außerhalb der Gemarkung. Der bordelaiser Professor und legendäre Önologe Émile Peynaud schlug vor, den Blick gen Westen schweifen zu lassen, da er hier riesiges Potenzial sah. Dies sollte das Gesicht der Rueda – zu Deutsch wörtlich: Rad – in kürzester Zeit verändern. Schon 1980 wurde das Gebiet rund um die gleichnamige Gemeinde zur Denominación de Origen erhoben. Und ist seitdem der iberische Platzhirsch in puncto Blanco.

Dies liegt zum einen am großartigen Verdejo – dem Hidden Champion der spanischen Weißweintrauben. Er vereint die fruchtstrotzende Exotik von Riesling und Sauvignon Blanc, hat aber weitaus niedrigere Säurewerte. Zum anderen garantieren die Hochlagen Altkastiliens die sortentypische Frische.

Bei solch herausragendem Terroir muss es doch auch großen Rotwein
geben, fragt man sich vielleicht. Nun, uns ist tatsächlich noch keiner untergekommen; der Anteil an der Gesamtproduktion liegt heute bei ungefähr zwei Prozent. Sei’s drum, denn nirgendwo in Spanien funkeln die Weißen so glanzvoll wie in der Rueda.

– Roman Bergold
(WEIN NEWS Juli 2022)