Latürnich!

In einer immer mehr zu aromatischen Extremen neigenden Weinwelt strahlen südfranzösische Weiße eine beneidenswerte Gelassenheit aus.

Manche Szenen brennen sich einfach ein. Wie die des etwas untersetzten Galliers, der, vom Wein in Wallung gebracht, seine lebhaften Ausführungen mit einem "Latürnich!" bekräftigt. Bei einem südfranzösischen Tropfen namens "Naturallée" liegt die Assoziation "Obelix-Wein" natürlich nahe. Vom aromatischen Gemüt geht das auch in Ordnung, nur, dass der Naturallée vom Körperbau eher dem gefühlten Obelix’schen Selbstbild – "Ich bin nicht dick!" – entspricht. In der Cuvée setzt die duftige Viognier die Akzente: frische und getrocknete Früchte, ergänzt um einen Hauch mediterraner Blütenlandschaft.

Dem Stil der eleganten Gallierin Falbala verpflichtet fühlen sich Lucie und Vincent Teulon auf Château Vessière im Mündungsgebiet der Rhône. Vor fünfzehn Jahren übernahmen sie den familiären Staffelstab und stellten zunächst auf biologischen, dann biodynamischen Anbau um, was 2019 in eine Demeter-Zertifizierung mündete. Önologisch stellt ihr "Le Mas de Vessière" eine Besonderheit dar. Wo andere Weiße in spätestens zwei Wochen durch sind, vergärt der Wein volle 45 Tage bei extrem niedrigen Temperaturen. Die Teulons setzen also alles daran, noch die zartesten Primäraromen für ihre Cuvée aus den Trauben herauszukitzeln. Die Grenache Blanc verliert so an Erdschwere und der Muscat kann seine aromatische Finesse bis in die feinsten Verästelungen hinein ausleben.

Diese beiden Südfranzosen legen sich auf den Gaumen wie das Abendlicht eines warmen Sommertags. Ferpekt!

–Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Mai 2022)