Der Toskana-Effekt

Die Anziehungskraft der Rebsorte Sangiovese bleibt ungebrochen und in manch unentdecktem Winkel werden in ökologischer Arbeitsweise moderne Klassiker geschaffen.

Sie kennen das: Man sitzt gemütlich beim zweiten Gläschen mit Pasta und Panoramablick und wähnt sich, gerade den besten Wein seines Lebens getrunken zu haben. Entzückt packt man sich den Koffer voll. Zu Hause angekommen, die Überraschung: Der Wein schmeckt irgendwie … anders. Unter Weinfachhändlern wird dieses Phänomen liebevoll "Toskana-Effekt" genannt. Zum Glück gibt es Weine, deren Zauber von Szenenwechseln unberührt bleibt.

Dem bayerischen Arzt Nikolaus Buchheim genügte es nicht, sich ein Stück Toskana nach Hause zu holen. Einer spontanen Eingebung folgend, gründete er um die Jahrtausendwende auf einem einsamen, mit Macchia überwucherten Hügel in der Maremma das Weingut Poggio Nibbiale – Blick aufs Tyrrhenische Meer inklusive. Ihren Weltruf verdankt die Maremma den Supertoskanern, die ihre Superkräfte durch internationale Rebsorten wie Cabernet und Merlot erlangen. Buchheims Liebe jedoch gilt dem Sangiovese und mit seinem Morellino di Scansano setzt er ihm ein Denkmal.

Nicht weit entfernt, am Fuße des Monte Amiata, erfüllte sich Claudio Tipa einen Kindheitstraum und investierte in der bis dato unbedeutenden Anbauzone Montecucco in sein Weingut ColleMassari. Die Region stand lange im Schatten des berühmten Nachbarn Montalcino, aber Tipa erkannte das große Potential des Mikroklimas. Die grandiose Qualität seiner Weine sorgte für Aufwind in der Region.

Chianti kennt jeder Toskana-Liebhaber, aber das kleine Untergebiet Rufina ganz im Norden der Region gilt immer noch als Geheimtipp. Die Fattoria di Grignano perfektioniert hier seit den 1970er Jahren eine kleinbeerige Spielart des Sangiovese und gönnt sich den Luxus, nur die besten 10 % ihrer Lagen zu bepflanzen, was den Weinen Konzentration und Langlebigkeit verleiht.

–Cathérine Mester
(WEIN NEWS Mai 2022)