Jubiläumsgipfel im Piemont - Italien

Vor 25 Jahren fanden zwei junge Außenseiter aus dem den Weg in unser Sortiment. Ihr Jubiläum feiern Gianni Abrigo und Gianluigi Orsolani auf dem absoluten Genussgipfel.

Auch Gott hat so seine Lieblinge. Das Piemont gehört definitiv dazu. Während Er die mit einer einzigen Spitzentraube, der , abspeiste, ließ Er das Piemont seine Güte im Übermaß spüren: , Dolcetto, Cortese, Moscato – allesamt Ausnahmetrauben. Obendrein gab Gott den Piemontesern auch noch die alltagstaugliche Barbera. Die machte kaum Arbeit und produzierte trotzdem jede Menge Hektoliter gesprächsanregenden Rotwein. Die meisten Winzer waren glücklich mit diesem geradezu paradiesischen Zustand. Nur eine Handvoll Verrückter wollte sich nicht zufriedengeben, der Baum der Erkenntnis zog sie magisch an. "Gib der Barbera beste Lagen, reduziere die Erträge drastisch und lass sie im Fass reifen", sagt Gianni Abrigo, "dann wird aus dem hässlichen Entlein ein strahlendes Spitzengewächs!"

Als Gianni Abrigo den Betrieb von Vater Orlando übernahm, setzte er alles daran, dem Rohdiamanten Barbera Schliff zu geben. Zwei Herausforderungen galt es dabei zu meistern. Da ist zum einen die überbordende Säure der Barbera. Sie schenkt zwar die unwiderstehliche Piemontkirschfrucht, muss aber durch beste mineralische Böden gepuffert und in einer Reifephase biologisch abgebaut werden. Zum anderen ist die Barbera nicht sehr tanninstark. Der Ausbau im Holzfass gibt ihr die nötige Struktur. "Es gibt wenige Trauben, die so gut mit neuem Holz harmonieren wie die Barbera", sagt Gianni Abrigo, "denn anders als zum Beispiel beim Nebbiolo liegen hier Trauben- und Holztannin nicht über Kreuz!" Der ebenso würzig-weiche wie angenehm fruchtige Barbera Mervisano, tritt als Barrique-Wein den beeindruckenden Beweis für diese These an. Wer hingegen einen Spitzen-Barbera unplugged bevorzugt, der wird vom Vigna Roreto aus dem großen Holzfass über alle Maßen belohnt.

Konnte Gott mit der Wendung, die sein Barbera nahm, also hochzufrieden sein, sah es beim Erbaluce lange Zeit gar nicht gut aus. Keiner, aber auch so gar keiner im Piemont wollte sich dieser Rebe annehmen. Schließlich fand sich weit abseits aller bekannten Weingebiete im beschaulichen Canavese ein gottesfürchtiger Mann namens Gianluigi Orsolani. Der vertraute dem Potenzial der völlig unbekannten, vom Aussterben bedrohten Rebsorte und widmete ihr nahezu sein gesamtes winzerisches Schaffen. Was dann geschah, lässt sich nur mit Begriffen wie Genie, Wunder oder göttliche Fügung beschreiben. Gianluigi Orsolani gelang es im Alleingang, seinen Erbaluce – von dem es bis heute insgesamt gerade mal 50 ha verstreute Anbaufläche gibt – an die Spitze der italienischen Weißweine zu führen. Die letzten beiden Jahrgänge wurden mit den begehrten Drei Gläsern vom maßgeblichen Weinführer Gambero Rosso ausgezeichnet und damit in den Petersdom der italienischen Weine berufen.

Wir jedenfalls sind stolz, Gianluigi Orsolani und Gianni Abrigo seit einem Vierteljahrhundert begleiten zu dürfen, verneigen uns tief vor der Lebensleistung und können allen unseren Kunden nur ans Herz legen, auf das Sortimentsjubiläum mit einem Glas Barbera oder Erbaluce anzustoßen.

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS September 2012)