Der Senkrechtstarter

Lange herrschte Ruhe in den Hügeln der Marken. Die Hackordnung unter den Verdicchio-Winzern war seit Jahrzehnten eingespielt. Aber plötzlich kommt da einer, mit dem keiner gerechnet hat.
 
Von den traumwandlerisch schönen Hügeln südwestlich des Städtchens Jesi blicken die Verdicchio-Reben sehnsüchtig auf die Adria. Die an dieser Küste reichlich vorhandenen Fische und Meeresfrüchte blicken ebenso schmachtend zurück. An Ihrer Tafel könnten die beiden endlich zueinander finden. Es soll Ihr Schaden nicht sein. Unter den mittelitalienischen Weißen beansprucht Verdicchio – übrigens identisch mit der Lugana-Traube – die qualitative Führungsposition. Im Gegensatz zum kreuzbiederen Trebbiano & Co. kann er mit Finesse und Spannkraft aufwarten. Die Kernzone sind die Castelli di Jesi in der Region Marken.

Die sonst eher beschauliche Weinwelt dieses Landstrichs erlebte ein kleines Erdbeben, als der örtliche Waschmaschinenfabrikant Walter Marini kürzlich die abgewirtschaftete Cantina Cológnola samt 30 ha allerbester Weinberge erwarb. Mit einem spektakulären Kellerneubau und einem exzellenten Önologenteam katapultierte er den Verdicchio "Via Condotto" über Nacht an die Spitze des Anbaugebiets. Der 2013er ist erst der zweite Jahrgang unter neuer Regie. Und wie immer, wenn man neu ist, gilt: Man muss sich unter Wert verkaufen. Da haben wir natürlich gern zugegriffen und wie schon gesagt: Es soll Ihr Schaden nicht sein.

Gotthard Scholz
(WEIN NEWS September 2014)