
Fünfzig Schattierungen von sauer
Im Riesling-Kosmos stecken zwei Bodenarten die äußeren Pole ab: Buntsandstein und Schiefer. Buntsandstein ist vorherrschend in der Pfalz, deren sonniges Gemüt nicht nur sprichwörtlich ist. Die Rieslinge sind sofort da und zugänglich. Die Frucht spielt im gelb-orangenen Bereich: Pfirsich, Orange, aber auch Ananas oder Mango. Die Säure ist freundlich, verspielt und saftig, die Mineralik moderat. Der biodynamische "Les Cornes" von Bettina Bürklin-von Guradze steht herausragend für diesen Stil. Der Wein ihres Fünf-Sterne-Weinguts bietet dabei die ganze Substanz ohne jegliche Körperschwere.
Die besten Rieslinge vom Schiefer leben von ihrer Mineralik und könnten auch gut auf die Frucht verzichten. Aber schön, dass sie da ist und zwar grün-weiß-gelb: Kernobst, weißer Pfirsich, Zitruszeste, gern garniert mit zarten Kräutern. Die Säure ist tänzelnd, hat eine finessenreiche Präsenz, die aber immer mineralisch gepuffert wird von den Schiefernoten. Die Große-Gewächs-Lage Steinberg an der Nahe hat ihren Namen mit Bedacht bekommen. Jakob Schneider – prägende Winzerpersönlichkeit seiner Generation – belässt seinem Ausnahme-Riesling das Ungeschliffene und Tiefgründige. Der Wein steht am grandiosen Anfang seiner langen Reise. Eine Welt ohne Riesling? Sie wäre noch weniger lustig!
— Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Mai 2022)