Freigeister

In den USA gelten Christopher und Philipp Frey als gefeierte Botschafter des Neuen Deutschen Weins. Das hat gute Gründe: Mit geradlinigen und druckvollen Burgundern lassen die Freys sinnfällig werden, warum ihre rheinhessische Heimat Wonnegau heißt.

Interview mit Philipp Frey

Philipp, schon während Eurer Ausbildung habt Ihr nach den Sternen gegriffen. Du warst beim kalifornischen 100-Punkte-Serienweingut Vérité.
Philipp Frey: Wir sind auf einem Weingut groß geworden. Weinintelligenz haben wir also schon mitgebracht, allerdings nur regional. Mir war es wichtig, was ganz anderes zu sehen und zwar auf dem Top-Top-Level. Einfacher kann man den Wein immer noch machen.

Was hast Du davon mitgenommen?
Den Perfektionismus und die Akribie im Weinberg. Den Überseestil kannst Du nicht übertragen. Wollen wir auch nicht. Uns geht es um die reintönige Frucht, die Mineralik und die maximale Dichte am Gaumen. Das ist urdeutsch.

Ihr arbeitet biologisch. Geht es Euch um Werte oder Qualität?
Auf einigen Flächen arbeiten wir ja im Übergang noch konventionell. Und der direkte Vergleich zeigt, dass wir uns in punkto Klimaneutralität keinen Illusionen hingeben sollten. Konventionell heißt Mineraldünger und synthetischer Pflanzenschutz. Ökologischer Weinbau bedeutet gerade in feuchten Jahren deutlich mehr Überfahrten und in der Folge Energieverbrauch und Bodenverdichtung. Dennoch bin ich fest überzeugt, dass biologischer Weinbau nachhaltiger und naturnäher ist.

Gibt es geschmackliche Unterschiede?
Ja. Es ist wie im Supermarkt. Die konventionellen Bananen sehen immer schöner aus. Dank Düngung sind die Rebstöcke bestens versorgt. Die Weine sind perfekt gemacht, aber auch austauschbarer. Die ökologischen Reben
müssen mit dem auskommen, was da ist. Darum schenken sie Dir etwas Einmaliges: Herkunft. Vor allem, wenn der Wein mit den eigenen Hefen spontan vergärt wie bei uns.

Wie erklärst Du Dir Eure Erfolge in den USA?
Das Wort, das wir am häufigsten hören, ist "pure". Unser Wein hat diese Qualität, weil wir arbeiten, wie wir arbeiten. Da wird kein Programm abgespult wie beim "Kalenderwinzer". Nehmen wir den Pinot Gris. Die Rebstöcke stammen aus Südtirol, einfach, weil die Kolleg:innen dort den besten Job machen: von Natur aus ertragsarm und daher intensiv in den Aromen. Den 2021er haben wir erstmals kurz zusammen mit den Schalen vergoren, um ihm noch mehr Druck und Statur zu geben. Wir bleiben offen und immer kritisch gegen uns selbst. Nur so geht es nach vorne.

Interview: Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Mai 2022)