Les Femmes du Sud

Weingut Cellier d'Eole und Weingut Domaine Treloar

In ganz Frankreich haben beim Wein die Männer das Sagen. In ganz Frankreich? Nein! Das Roussillon ist ein Gebiet voller spannender Weine von großartigen Frauen.

So eine Biografie kann sich keine Drehbuchautorin ausdenken. Im Zeitraffer: Rachel Treloar, Neuseeländerin mit Maori-Wurzeln und Zollangestellte, verliebt sich in London in den IT-ler Jonathan Hesford. Weiter nach New York, wo die beiden 9/11 vom Bürofenster aus erleben. Daraufhin der Entschluss, ihr Leben künftig something real zu widmen. Rückkehr nach Neuseeland, wo Jonathan Önologie studiert. Dann zusammen ins Roussillon.

Sie kaufen für kleines Geld einen nahezu verfallenen Hof, zu dem uralte Weinberge gehören. Das Gut kann nur Domaine Treloar heißen! Jahre der harten Arbeit für den großen Traum. Jonathan macht Reben und Keller, Rachel das Business – über den Wein entscheiden sie gemeinsam. Kann man so ein Leben schmecken? Nun, das something real bringen mit unbändiger Kraft die Syrah- und Mourvèdre-Reben in den roten "Three Peaks" ein. Doch die optimistische Beerigkeit der Neuen Welt, den Barrique-Touch und die alte Maori-Weisheit, das Raum und Zeit zumindest in einem Glas Wein eins sind  – die tragen eindeutig Rachels Handschrift.

Die Karriere von Marilyn Lasserre, die als Chefönologin der Cellier d’Eole eine der innovativsten Weinunternehmungen Südfrankreichs leitet, erscheint dagegen fast unspektakulär. Das ändert sich, wenn Rindchen Kunden vom Böse-Katzen-Wein "Vilain" oder dem umwerfenden Rosé "Rosabelle" schwärmen, beides Kreationen der genialen Madame Lasserre. Daher gibt es keinerlei Anlass zu zweifeln, dass ihr neuester Streich "La Grande Merveille" nicht nur dem Namen nach ein großes Wunder ist. Die Trauben stammen von ausgewählten Parzellen der Côtes Catalanes, dem französischen Teil Kataloniens. Marilyn Lasserre fordert mit diesem wunderbar reiffruchtigen und warmwürzigen Wein die italienischen Passimentos heraus, die aus zuvor getrockneten Trauben gekeltert werden. Im Gegensatz dazu kategorisiert sie ihren Roten mit feiner Ironie als Vin Solaire. Sie stellt damit klar, dass im südlichsten Zipfel Frankreichs die gleißende Sonne ganz allein in der Lage ist, Weine von konkurrenzloser Sogwirkung zu erzeugen.

WEIN NEWS Juni 2020