Der Bianco ist schon wieder leer

Cológnola, Poggio Nicchiaia, Feliciana

Der Bianco ist schon wieder leer

Bei Italien denken wir sofort an Rotwein. Warum eigentlich? Es gibt dort so viele wunderbare Weiße, die entdeckt werden wollen.

"Das Schönste an italienischem Weißwein ist, dass er keine Flecken macht", pflegt ein honoriger Sommelierskollege stets zu sagen; und in der Tat haben die Tropfen oft mit Unmengen an Vorurteilen zu kämpfen. Die selbstverständlich vom Hauswein zahlreicher Eckrestaurants bestätigt werden. Dass es auch anders geht, beweisen unsere spannenden Frühlingsboten vom Apennin. Allen voran "Signore Lugana" Massimo Sbruzzi von Feliciana. Wer das warmherzige Winzer-Genie vom Lago di Garda noch nicht kennt, möge dies bitte nachholen. Es lohnt sich. Seine stoffigen Weine sind wie ein Kurzurlaub im Süden. Kaum jemand kann das zurückgelehnte Gardasee-Gefühl so präzise in Flaschen bannen.

Um mangelnden Weltruhm braucht sich auch die Toskana keine Sorgen zu machen. Wenig bekannt ist jedoch, dass es dort hervorragende Weiße gibt, für die man nicht den Toscanità-Zuschlag zahlt. Fabio Duarte sei Dank. Der Patron von Poggio Nicchiaia erkannte früh das Potenzial der von Muschelkalk durchzogenen Böden um Pisa für einzigartig straffen Vermentino. So sind seine Weine nicht teuer, aber doch exklusiv und ganz anders. Der Superstar der hierzulande stiefmütterlich behandelten mittelitalienischen Region Marken ist zweifelsfrei die DOC Verdicchio dei Castelli di Jesi. Dort verhelfen Walter Darini und sein exzellentes Önologenteam der ruhmreichen Cantina Cològnola zu neuem Glanz. Als Prämissen gelten Mineralik, Schmelz und satte Frucht. Sowie eine animierende Trinkigkeit, die ihresgleichen sucht. Der große Philosoph und Lebemann Klaus Eberhartinger würde hier wahrscheinlich konstatieren: "Ruck’ deine Lira fiera, der Bianco ist schon wieder leer."

— Gotthard Scholz
(WEIN NEWS März 2021)