Katalanische Champions League

Weingüter: Celler de Capçanes, Acústic Celler, Celler de l'Encastell

Priorat und Montsant loten Tiefe, Komplexität und Schönheit im Rotwein neu aus.

Eine der letzten Entdeckungsreisen der Weinwelt führt in die abgeschiedene Bergwelt des Priorats und Montsants. Bis vor 30 Jahren rangen hier bitterarme Weinbauern dem kargen Fels unter größten Entbehrungen schwere, fast schwarze Weine ab, die für wenig Geld in den Dorfkneipen ausgeschenkt wurden. Tragisch für die Winzer, denn die uralten - und Cariñena-Reben, die sich auf Schiefer oder Granit in den Fels krallen, liefern nur kleinste Weinmengen. Zum Glück entdeckten junge Önologen der Uni Barcelona das immense Potenzial dieser Weinkonzentrate. Als dann der amerikanische Weinpapst Robert M. Parker auf die wundersamen Gewächse im Priorat aufmerksam wurde, entstand in diesem abgelegenen Winkel ein echter Hotspot.

Die wohl besten – wenngleich bei weitem nicht teuersten – Weine aus dem Priorat stammen aus dem 1999 gegründeten Celler de l’Encastell des Weinverrückten Raimon Castellví. Sein Kapital sind die herausragenden Lagen und die bis zu 130 Jahre alten Rebstöcke. Vor einiger Zeit wurde Raimon Castellvís Visitenkarte "Marge" vom renommierten englischen Decanter als "Best Value" für die Region ausgezeichnet.

Das Priorat wird ringförmig vom Montsant umschlossen – ein Gebiet mit vergleichbarem Potenzial, aber deutlich günstigeren Preisen, was es zu einer der unterbewertetsten Weinbauregionen der Welt macht. Irgendwann verirrte sich der Heidelberger Önologe Jürgen Wagner hierher. "Es war so, als fände ich meine Trauminsel", erzählt er. "Perfekte Kalkböden und uralte Weinberge in einer atemberaubenden Landschaft!" Wagner faszinierte die nahezu weihevolle, mystische Würze und tiefe Frucht. So heuerte er beim Celler de Capçanes an – und führte deren Weine zu Weltgeltung.

Auch Albert Jané, Sohn eines berühmten Cava-Erzeugers, war vom überwältigt und gründete das Weingut Acústic. Hier werden handgelesene Trauben von steinigen Terrassenlagen mit ihren eigenen Hefen spontan vergoren und in zumeist mehrfach belegten Barriques aus französischer Eiche ausgebaut. Das Ergebnis sind pure, ungeschminkte, vor Vitalität förmlich vibrierende Weine – eben Champions League!

Gerd Rindchen
WEIN NEWS April 2020