Schnuppern an der Höhenluft

Die Weine von Axel Neiss gehören zum Besten, was die Pfalz zu bieten hat. Und doch trieb den Winzer die Frage um: Was fehlt noch? Zurück zur Handlese! Das ist eine seiner Antworten.

Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen, um vorwärts zu kommen. Der Kindenheimer Winzer Axel Neiss, der seit gut zehn Jahren den von seinem Vater aufgebauten Betrieb in der pfälzischen Mittelhaardt leitet, hat diese Erfahrung des Öfteren gemacht. Er hat zum Beispiel nach langem Zögern im vergangenen Jahr 20.000 Euro in die Hand genommen, Sortierbänder und Transport-Gerätschaften angeschafft, um in seinen besten Lagen zur Handlese zurückzukehren. Auf die Möglichkeit "traubengenau" zu selektionieren, könne man eben doch nicht verzichten, meint Axel Neiss.

Um die Qualität seiner Weine weiter zu verbessern, hat er sich außerdem entschlossen, das Abfüllen seiner Weine nicht mehr an eine Fremdfirma zu vergeben, sondern wieder selbst in die Hand zu nehmen. Auch so ein Mosaiksteinchen, sagt der Winzer. Aber: "Die letzten 10 Prozent Qualität sind die schwersten". Der Vergleich mit den letzten 100 Metern bei der Bezwingung eines Achttausenders drängt sich geradezu auf: Wer die Höhenluft mal schnuppern möchte, der greift am besten zu Axel Neiss’ Weißburgunder aus der Lage Vogelsang: So viel Dichte und Fülle bei einem Wein dieser Rebsorte finden Sie sonst kaum. Mehrere Schritte zurück ging es auch zu Beginn seiner Amtszeit 1997: Der Winzer trennte sich von Nischenprodukten wie Morio-Muskat, beendete die Überproduktion von Müller-Thurgau ("4 Hektar waren einfach viel zu viel"). Dabei ging die Rebfläche zunächst von 13 auf 10 Hektar zurück. "Da haben natürlich die Nachbarn den Kopf geschüttelt: "So, so – der macht erst mal kleiner", erinnert sich Axel Neiss schmunzelnd.

Heute bewirtschaftet das Weingut 17 Hektar und vermarktet erfolgreich vor allem Riesling und die Burgunder- Rebsorten. Diese gedeihen auf den kalkhaltigen Lehmböden rund um Kindenheim ganz hervorragend, sie passen einfach in die wunderschöne Hügellandschaft zwischen Pfälzer Wald und Rheinebene. Das ist wichtig zu betonen, weil das Weingut Neiss nicht jedem Trend auf Teufel komm raus hinterherrennt: "Die Sauvignon- Blanc-Mode haben wir bewusst nicht mitgemacht, weil wir es für uns und unsere Lagen nicht stimmig fanden." Stimmig dagegen findet Axel Neiss ein gesundes Wachstum, nicht nur der Reben, sondern auch des ganzen Weinguts. Es gehört zu den Erkenntnissen eines Winzerlebens, dass nicht alles mit familiären Kräften zu bewältigen ist: Seit dem vergangenen Jahr ist die angehende Winzermeisterin Christine Grasmück für den Außenbetrieb verantwortlich.

Aber auch familiär setzen Axel und seine Frau Katja auf Vollbeschäftigung: Ihre drei Söhne (5, 3 und 1 Jahr alt) halten die beiden stets auf Trab. Und wenn Anton der Jüngste beschließt, den Tag um fünf in der Frühe zu beginnen, "dann sackt einer von uns nach der Tagesschau zusammen", so der O-Ton von Axel Neiss. Die Fähigkeit, Dinge mit Humor auf den Punkt zu bringen, gehört zweifellos zu den Stärken des Winzers und sie wurde schon vielfach auf Rindchen- Events demonstriert. Ebenso wie die Güte seiner Weine. Möglich wurde diese Qualitäts- Evolution, weil sich der Winzer bei aller Zufriedenheit mit dem Erreichten immer wieder die Frage stellt: "Was fehlt noch?" Und keineswegs zufällig zitiert Axel Neiss in diesem Zusammenhang den ehemaligen Nationaltorhüter Oliver Kahn mit dessen Maxime: "Weiter, weiter, immer weiter!"

Wendelin Niedlich