Stolz im Garten Eden

Quinta da Raza

Der Norden Portugals ist atemberaubend schön, gesegnet mit reicher Erde und – mindestens – einem begnadeten Winzer: Dom Diogo.

Wir müssen über Drehmoment reden. Es gibt Automotoren, da ist diese Kraft so groß, dass Sie im vierten Gang mit 30 km/h den Berg hochstapfen können – im Standgas. Der Landrover hat so einen Motor und Winzer Dom Diogo Teixeira Coelho (ja, portugiesische Namen können schon lang sein) hat sichtlich große Freude an diesem Vehikel und noch mehr Spaß macht es ihm, mit Besuchern durch die Weinberge zu fahren. Komfortabel ist das nicht, es fühlt sich eher an wie die Reise auf einem Kamelrücken, aber das Gerät in Vergessenheit, wenn Diogo durch die engen Rebzeilen tuckert und mit jedem Satz die Liebe zu seinen Trauben spürbar wird: "Hier, sehen Sie, da habe ich auf 1,50 Meter Höhe die Laubwand ausgedünnt, damit Licht drankommt und die Luft zirkulieren kann." Er wendet sich zur anderen Seite und deutet auf eine höhere Lage: "Dort oben aber nicht, damit der Wind nicht zu viel Wärme nimmt." Diese Mischung aus Akribie und Besessenheit schafft Weine von einer Sauberkeit und strahlender Klarheit, die im Vinho-Verde-Gebiet ihresgleichen sucht.

Es ist noch etwas ungewohnt für deutsche Weingenießer bei "" nicht nur an den leicht perlenden, frischen, jungen zu denken, sondern an das Gebiet gleichen Namens im Norden . Lassen Sie es sich gesagt sein: Es ist eine Reise wert. Nicht sonnenverbrannt, sondern sattgrün und von einer bezaubernden Schönheit, die irgendwo angesiedelt ist zwischen Voralpenland und einer mittelenglischen, von Knicks gegliederten Landschaft. Diese Mischung aus dem gar nicht so trockenen Klima und der Sonne schafft einen Garten Eden: Gemüsegärten, Obstbäume, Wein – schmeißen Sie irgendwas in diese Erde: Es wächst.

Dom Diogo ist hier tief verwurzelt wie eine uralte Weinrebe. Das Familien-Stammhaus, in dem Diogos Mutter bis heute lebt, wurde im 17. Jahrhundert errichtet. Nun, der Begriff Haus ist vielleicht doch ein wenig untertrieben – das Gebäude hat schon eine herrschaftliche Ausstrahlung und – den Titel "Dom" tragen hier nur wenige. Diogo kam in diesem Haus zur Welt, in diesen ganz sicher nicht kleinen Verhältnissen, hat sich aber dennoch entschieden ein eigenes, neues zu bauen. Typisch für ihn: Sich ins gemachte Nest zu legen, obwohl das sehr komfortabel gewesen wäre, kam nicht in Frage. Er trat in die Fußstapfen seines ebenfalls weinverliebten Großvaters und entwickelte das Weingut Quinta da Raza zu nicht gekannter Blüte. Darauf ist er stolz. Stolz auch, dass die schöne Mafalda seinetwegen das quirlige Lissabon verließ, um seine Frau zu werden. Stolz auf die beiden wohlgeratenen Töchter. Sind Sie jetzt eventuell ein wenig neidisch geworden auf Dom Diogo? Das war unvermeidlich. Trösten Sie sich mit einem Schluck dieser wunderbaren Weine…

Wendelin Niedlich
(WEIN NEWS Mai 2014)