Wenn der Ösi mit der Kiwi - Seifried Estate

Hermann Seifried kam aus Österreich und fand sein Glück in Neuseeland.

Als erster Winemaker auf der Südinsel.

 

Wein auf der Südinsel Neuseelands? Daran glaubte Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts kein Mensch. Hopfen und Tabak, ja, aber nicht Wein. Im Norden die Tasmanische See, im Westen die oft schneebedeckten Gipfel des Kahurangi Nationalparks – die Region Nelson schien jenseits von Gut und Rebe zu liegen. Bis der Hermann kam.

Jede neue Entwicklung beginnt mit beratungsresistenten Menschen, die eine Idee auch gegen Widerstände verfolgen. Mit 17 hatte der Österreicher Hermann Seifried seine Heimat verlassen, um in Weinsberg bei Heilbronn Weinbau zu studieren. Nach einem Zwischenstopp in landete er 1970 in , um Äpfel und Birnen zu vermarkten – den Traum vom eigenen Weingut trug er stets bei sich. Und er fand jemanden, der seine Ideen mochte. Der neuseeländischen Lehrerin Agnes Wilkins gefiel der Bursche: Sie brachte ihm einigermaßen Englisch bei und heiratete ihn kurzentschlossen. Schon 1973 gründeten die beiden in der Nähe der Stadt Nelson ein Weingut und pflanzten 14 Rebsorten an, "vor allem, weil wir wirklich nicht genau wussten, welche Sorten Erfolg bringen würden", erzählt Agnes mit einem feinen Schmunzeln. Aber manchmal sind eben die Spinner die Gewinner: Der erste Jahrgang wurde 1976 bei der National Wine Competition dermaßen mit Auszeichnungen überhäuft, dass ein kleiner Treck von Weinliebhabern sich auch auf den weitesten Weg zum Weingut machte, um eine Flasche dieses Mannas käuflich zu erwerben. "Damals gab es kein Marketing, die Leute kamen einfach so", erzählt Hermann heute nicht ohne Stolz. "Von wegen einfach so", wirft Agnes ein, "wir hatten schnell über 4000 Adressen von Menschen, die über uns und die Weine informiert werden wollten. Alles ohne Computer, wohlgemerkt. Ich habe viele Abende lang und ganze Wochenenden Briefe eingetütet, adressiert und frankiert."

Ende der 90er Jahre leistete das Weingut erneut Pionierarbeit. Und diesmal gingen die Kinder Chris, Heidi und Anna voran: Als erster Betrieb in Nelson wurde Seifried für nachhaltigen Weinbau zertifiziert. "Wir haben den ganzen Produktionsprozess eingehend untersucht", berichtet Chris Seifried, "und nach Möglichkeiten gesucht, Diesel, Strom und Wasser und zu sparen. Oder mit den Triebabschnitten zu mulchen. Oder leichtere Flaschen zu verwenden und, und, und…"

Und was macht die Jüngste? Marketing! Auch wenn Papa Hermann noch Zeiten kennt, wo man diesen neumodischen Schnickschnack nicht brauchte. Anna Seifried setzt allerdings nicht auf hohles Geklingel, sondern auf den menschlichen Faktor. "Put a face to the name" nennt sie das, der Firma ein Gesicht geben – mit so vielen persönlichen Kontakten wie es nur irgend geht. Den Blick geweitet für neue Entwicklungen: "Auf welche Rebsorten sind die Menschen neugierig? Wie entwickelt sich die Kochkunst weiter, was bedeutet das für unsere Weine?" Kurz: Eine Familie, fünf Gesichter, alle unterwegs in Sachen Wein. Und alles nur, weil der Hermann sich in die große, weite Welt hinauswagte…

Wendelin Niedlich

(WeinNews April 2012)