Traumfabrik Süditalien

Die begehrtesten Blockbuster für sonnenhungrige Gaumen kommen derzeit aus Sizilien und Apulien. Erleben Sie mit Primitivo, Nero d’Avola und Negroamaro den Vorfrühling für Ihre Sinne!

In Trapani, der Provinzhauptstadt im äußersten Westen , ticken die Gaumen anders. Als erster Gang kommt hier nicht die in allgegenwärtige Pasta auf den Tisch, sondern Couscous mit Zimt und Thunfisch. "Afrika ist nah", erklärt unser Gastgeber Maurizio Biscardo. "Und die Mauren haben ihre Spuren ebenso hinterlassen wie Normannen und Griechen." Mit letzteren gelangten wohl die Vorfahren der sizilianischen Edelrebe auf die Insel – ein Wein, der ganz hervorragend zum Couscous schmeckt.

Es gibt nur wenige, die ihr Handwerk so beherrschen wie Maurizio Biscardo von Baglio Gibellina. In seinem prall gefüllten Trophäenschrank steht u.a. der "Beste Rotwein Italiens 2015". Schon sein Nero d’Avola "Baronie Coraldo" fängt all die Aromen ein, die wie eine Duftglocke über der Insel schweben: Maulbeeren, orientalische Gewürze, Mittelmeerkräuter. Sein Herzblut steckt Maurizio Biscardo allerdings in den "Passimiento".

Diesen Wein komponiert er einerseits aus Nero d’Avola-Trauben, die bereits am Stock zu Rosinen trocknen. Den Kontrast dazu bildet früh geernteter Frappato, ebenfalls eine autochthone Rebsorte mit lebhaften Wildkirscharomen. "Der Passimiento schmeckt für mich nach Sizilien", sagt Signor Biscardo, "denn er verbindet Wärme und Tiefe mit einem aufbrausenden Temperament."

Die zweite Traumfabrik für sonnenhungrige Gaumen ist Apulien, der italienische Stiefelabsatz. Seit vielleicht zwei Jahrtausenden ist hier der beheimatet, ein tiefdunkles Elixier, das einen einfühlsamen Aromenmix aus Beeren, Lakritz und Kräutern bietet. Der unumstrittene apulische Rebenstar heißt allerdings . Dessen Sanftmut ist so gaumenfällig wie sein Name für deutsche Ohren grobschlächtig. Vielleicht liegt in diesem Widerspruch der Schlüssel für die inbrünstige Verehrung, die die Rebsorte in genießt. In jedem Fall ist es diesem großen Erfolg zu verdanken, dass auch in Apulien der eine oder andere Traum in den Himmel wachsen kann.

Seit Jahr und Tag schwebte Giuseppe Papadopoli ein Primitivo vor, der als genauso begeisternd schmeckt, wie die Trauben, die er mit Hingabe in seinen Weingärten erzeugt. Also schritt der Weinbauer in dritter Generation selbst zur Tat: Vor rund zehn Jahren füllte er auf seiner Tenuta Giustini erstmals einen eigenen Wein. Er nannte ihn Vecchio Sogno – alter Traum. Dieser etwas andere Primitivo entsteht in Weinbergen nahe dem Tyrrhenischen Meer. Der Wein wird ausschließlich im Stahltank bei außergewöhnlich niedrigen Temperaturen ausgebaut, um ein "Verkochen" der Aromen strikt zu vermeiden.

Und so können Sie vielleicht zum ersten Mal einen Primitivo erleben, der nicht wie so viele andere marmeladig am Gaumen klebt, sondern mit spannungsreicher Primärfrucht wach küsst. Um Missverständnissen vorzubeugen: Auch dieser Rote schmeckt wie flüssiger Samt. Doch präsentiert er sich gleichzeitig mit selbstbewusster Saftigkeit. Sind es nicht genau solche Geschmackswelten, nach denen wir uns im nordischen Winter sehnen.

Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Februar 2019)