Die Grünen von der Blauen

Weingut Forstreiter, Tegernseehof, Weingut Weszeli

Kleines Land, riesengroße Weinkultur. Mit ihrem Grünen Veltliner haben unsere südlichen Lieblingsnachbarn eine Weltrebe am Start, die passgenau das Beuteschema sommerlichen Hochgenusses erfüllt: wunderbar frisch bei überaus dezenter Säure, saftig und packend in der Frucht, unglaublich facettenreich von kräuterig bis cremig – und über all dem schwebt das berühmte Pfefferl. Darüber hinaus haben höhere Mächte die Heimat des Veltliner mitten in die Bilderbuchlandschaften der Donau gesetzt: die Wachau, Krems und das Kamptal.

"Du brauchst a Gspür", sagt Meinhard Forstreiter. Kaum einer hat den Titel eines winzerischen Urviechs so verdient wie er. Den Veltliner hat er mit der Muttermilch eingesogen oder wie er es selbst wahrscheinlich formulieren würde: statt der Muttermilch. Wenn sich sein Gespür Bahn bricht, dann in fruchtstrotzenden, zupackenden und saftigen Weinen. Dass sich in seinem Wortschatz die Vokabel Finesse findet, kann man sich schwer vorstellen. "Da muss ich aber mal scharf widersprechen", sagt der Kremser. "Du musst schon in Deine Rieden hineinhorchen." "Im Kogl hast Du Konglomerat-Böden: Kalk, Eisen, Schwemmschotter", erklärt Meinhard Forstreiter. "Dem Wein kann selbst ich das Feine nicht austreiben!" Der Besuch des Weinbergs – österreichisch: Riede – Kremser Kogl lohnt allemal, denn nirgends sonst fi det sich das berühmte Hollenburger Konglomerat. Wer es nicht so hat mit der Geologie, kann sich alternativ an der 150 Meter tiefer fließenden Donau und dem fantastischen Fernblick erfreuen.

Langenlois/Kamptal

Gut zehn Kilometer sind es von Krems nach Langenlois. Und doch sind die Weine von Davis Weszeli so ganz anders. "Ohne eine knackige Frucht geht natürlich gar nichts", sagt er. "Aber erst das Grüne macht den Veltliner für mich einzigartig." Und so fi nden sich in seinem "Langenlois" faszinierende Noten, die an Bergkräuter und sogar an Estragon erinnern. Die Frage, wie er diese Aromen aus dem Veltliner kitzelt, findet er falsch gestellt: "Sie sind einfach da, nur werden sie oft durch bestimmte Kellerverfahren gezielt ausgeblendet." Weszeli, der gerade auf biologische Bewirtschaftung umstellt, vergärt alle seine Weine spontan und bei nur mäßig kühlen Temperaturen, wodurch sich das Aromaspektrum erweitert. Seine zwar mit neuestem Equipment erzeugten, doch traditionsorientierten Veltliner machen ihn zu einem der aufregendsten Winzer des Landes.

Dürnstein/Wachau
Dürnstein besitzt mit seiner blauen Stiftskirche nicht nur das Wahrzeichen der Wachau, es beherbergt auch das im Jahr 1002 gegründete Weingut Tegernseerhof des charismatischen Martin Mittelbach. Die Wachau steht für opulente und cremige Weine, unter denen Mittelbachs Veltliner als die elegantesten gelten. "Fetter geht natürlich immer", sagt der Dürnsteiner. "Aber Opulenz vereinfacht auch den Geschmack. Darum ist unser Credo: Das Notwendigste tun, um die größtmögliche Vielschichtigkeit zu erlangen." Der Ortswein des Gutes trägt die einem Kabinett vergleichbare Wachauer Qualitätsstufe ’Federspiel’ und stammt von bis zu 60 Jahre alten, ertragsarmen Rebstöcken. Das Geheimnis dieses energiegeladenen Veltliner erklärt Martin Mittelbach so: "Was langsam wächst, geht tiefer." Das ist doch mal ein Satz, über den Sie mit der zusammengerufenen Freundesschar einen langen, warmen Terrassenabend sinnieren können. Bei einem Glas Grünen Veltliner selbstverständlich.

Gotthard Scholz
WEIN NEWS August 2020