Nordischer Stil

Weingut Wernersbach

Stephan Wernersbach konzentriert sich aufs Wesentliche und gewinnt damit Herzen und Gaumen.

"Mir geht es um Klarheit, Reintönigkeit und direktes Spiel", sagt Stephan Wernersbach. Er könnte so auch über seine Weine sprechen. Aber im Moment geht es um die historische Aufführungspraxis von Barockmusik. Wernersbach ist Mitgründer und Bassbariton des "Ensemble Paulinum" in Worms. Den professionellen Musikern geht es darum, dass alte Werke sich tatsächlich so anhören wie im 17. und 18. Jahrhundert. "Instrumente klingen heute anders" erklärt er. "Moderne Geigen haben zum Beispiel ein ausgeprägtes Vibrato. Eine Barockgeige dagegen klang brillant und zupackend – also in etwa so, wie mein schmeckt."

Bei Stephan Wernersbach kommt man mit Klischees nicht weit. Der singende Winzer von Dittelsheim? Bloß nicht! – und doch: Ja! Barocke Weine? Stimmt, aber, siehe oben, genau darum das Gegenteil von schwülstig. Und auch die beliebte Geschichte vom Künstler, der unglücklich den elterlichen Betrieb übernehmen muss, können Sie getrost vergessen: Vater Wernersbach war Postler, der Großvater Schreiner. "Wir hatten wie viele im Dorf unsern kleinen Weinberg", erzählt Stephan Wernersbach. " Meine Freunde waren häufig genervt, mit den Eltern in den Weinberg zu müssen. Bei mir war das Gegenteil der Fall und irgendwann war mir klar, dass ich Winzer werden will: selbstständig, nah der Natur, mit eigenem Hof." Nach dem Weinbaustudium fing er auf kleinster Fläche mit minimalistischer Technik an. Heute, ein Jahrzehnt später, ist daraus ein elf Hektar großes Weingut geworden.

Stuart Pigott – exzentrischer Brite, Weinkritiker und gern gesehener Gast bei Rindchen – zählt zu den Bewunderern der Wernersbach’schen Weine und attestierte dessen einen "nordic Style". Damit grenzt Pigott den Wein von den wuchtigen Übersee-Chardonnay ab, aber "nordisch" umschreibt für Stephan Wernersbach seinen eigenen Weinstil insgesamt sehr treffend. "Ich komme gerade zurück aus Island", erzählt er. "So wie da die Eisberge das bläuliche Licht einfangen, so würde ich gern die Aromen in meinen Weinen erstrahlen lassen." Zugegebenermaßen ein schönes Bild – aber über das Ziel hinausgeschossen: Die Wernersbach’schen Weine sind zwar auf faszinierende Weise cool, gleichzeitig aber auch wunderbar saftig, zugewandt, cremig und gelegentlich sogar überbordend.

Gotthard Scholz
(WEIN NEWS September 2017)